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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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die nicht kommen will, dann kann ich ja Essen für sie mitnehmen?”
    „Das wäre schön, Linfyar.” Sie sah ihm nach, als er in den Wald davoneilte, seine Pfiffe ein geisterhaftes Echo in ihren Ohren. Mal sehen, ob das jetzt schlau oder dumm war, dachte sie. Muß abwarten.
    An diesem Abend führte Linfyar die Zel ans Feuer. Sie kauerte im Schatten, aß jedoch den Fischeintopf und das Brot, das man ihr brachte, und trank eine Tasse heißen Cha. Obgleich sie Shadith niemals direkt ansah, warf sie ihr doch ständig verstohlene Blicke zu, als könne sie ihre Augen nicht abwenden von diesem Quell all ihrer Schmerzen. Mit einem instinktiven Taktgefühl, das Aleytys (die sehr aufmerksam beobachtete) zugleich beeindruckte und bedrückte, ließ der Junge Juli die meiste Zeit in Ruhe; doch in regelmäßigen Abständen kehrte er zu ihr zurück, berührte sie leicht und ließ sie damit wissen, daß er weiterhin für sie da war und sie nicht vergessen hatte.
    Shadith war mehr als unbehaglich zumute, weigerte sich jedoch, ihren vagen Schuldgefühlen nachzugeben. Sie sah Juli nicht an, sondern plauderte übermütig mit Wakille, kicherte über diese oder jene Äußerung und lauschte mit offensichtlichem Vergnügen seinen Geschichten. Später sang sie gemeinsam mit Linfyar im Duett; etwas, das sich sehr schnell zu einem Liederwettstreit der beiden auswuchs, jedoch nicht ganz ernst gemeint war. Irgendwann in dessen Verlauf huschte Juli davon.
    Dritter Tag
    Nachdem die Hütte fertig war, begannen sie Wasserlöcher für die Gyori auszuheben; und für sich selbst einen Badeteich. Aleytys ließ Wakille und Shadith diese Arbeit vorantreiben und machte sich ihrerseits wieder auf die Suche nach der Zel.
    Juli war an die Inselspitze zurückgekehrt, wo sie in das wogende Wasser und auf die silbern emporhuschenden Fische starrte. Aleytys stand einige Sekunden lang neben ihr und schaute auf das endlose, wogende Blau vor ihnen - die Küstenlinie war hinter klebrigem Morgendunst verschwunden. Sie waren noch nicht allzu weit gekommen; es gab wenig Veränderungen zu bemerken, aufgrund des Nebels sowieso nicht. Gestern abend hatte sie ihre Position überprüft, so gut dies möglich war, und heute abend würde sie das noch einmal tun - vielleicht erhielt sie doch noch eine genauere Einschätzung ihrer Geschwindigkeit.
    Sie hatte sie auf der Karte lokalisiert - und sie war bestürzt gewesen über die Entfernung, die sie noch zurücklegen mußten. Bis jetzt hatten sie pro Tag nur knapp dreißig Kilometer geschafft; grob geschätzt. Vor ihnen lagen neunhundert Kilometer nach Süden, bevor sie überhaupt in den Weststrom abbiegen würden …
    und dann noch einmal zweitausend oder mehr Kilometer quer über den Ozean. Hundert Tage, ein paar mehr, ein paar weniger, wenn sie beständig Fahrt machten. Esgard zufolge konnte die Geschwindigkeit der Strömung beträchtlich variieren, was allerdings von einer Menge Umstände abhing.
    Sie hörte über sich ein paar Vögel schreien, sah ihnen zu, wie sie sich aus dem Himmel herab- und auf die kleinen Fische stürzten; wie sie sie ergriffen und mit sich davontrugen. Sie ballte die Hände zu Fäusten. Langsam, unendlich langsam. „Vorbei!” rief sie plötzlich und kam sich gleich darauf dumm vor, weil sie so heftig gegen etwas protestierte, das nicht mehr zu ändern war. Sie schaute auf das alt-junge Gesicht der Zel hinab und ließ sich dann neben ihr nieder.
    Die Wurzeln waren feucht und glitschig und nachgiebig; sie bewegten sich im Gleichklang mit der seltsam rollenden Bewegung der Insel, verschoben sich, pieksten jeden, der sich ihnen anvertraute. Eine ziemlich aus der Fassung bringende Erfahrung, wenn man gerade in einer gewaltigen philosophischen Erörterung mit sich selbst versunken ist und jäh merkt, daß es da gewisse vorwitzige Wurzeln gibt. Sie kicherte, rückte ein wenig ab. „Du wärst überrascht”, sagte sie und blickte weiterhin auf das Meer hinaus, „wenn du wüßtest, wie schnell man vergißt, wie es zu Hause ist. An jenem Ort, wo man geboren und aufgewachsen ist, meine ich. Sieh mich an, ich sitze hier und schreie Flüche in den Himmel, weil sich diese verdammte Insel langsamer bewegt, als ein Gyr gehen kann. Ich sollte es wirklich besser wissen. Es gab eine Zeit, da war ein Pferd das schnellste, das ich kannte; also sollte es mir ziemlich leicht fallen, die Fassung zu bewahren. Ich denke, es heißt, warten und die langsamen Tage vorbeikriechen zu sehen. Ich glaube nicht, daß ich

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