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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Moment. Dann richtete sie sich auf, hob den Kopf und versuchte, gegen den Zorn auf die junge Zel (die in ihren Gedanken irgendwie gleichgestellt war mit Linfyar) anzukämpfen- Zorn, weil sie Erinnerungen geweckt hatte, die sie lieber ungestört ließ.
    Als sie die Lichtung wieder erreichte, verjagte Shadith Linfyar gerade von dem dampfenden Leimtopf. Er tänzelte vor ihr herum, wich aus, als sie nach ihm griff, und umrundete alle Hindernisse mit einer traumwandlerischen Sicherheit- gerade so, als habe er einen Ring aus Augen um den Kopf, statt überhaupt keiner, und zwischen seinen rhythmischen Pfiffen fand er sogar noch genügend Zeit zum Kichern. Shadith bemerkte sie und gab ihre Verfolgung nach einem letzten finsteren Blick auf den Jungen endgültig auf. „Lee”, sagte sie, und Erbitterung schärfte ihre Stimme. „Sag diesem Dickkopf, daß wir ihm die nackte Haut schaben müssen, wenn er an diesem Zeug kleben bleibt.” Sie wischte sich mit dem Armrücken energisch über das verschwitzte Gesicht. Ein gellender Ruf, fast panikerfüllt, von Wakille. „Oh, Scheiße!” Sie rannte zu der Hütte hinüber. „Jetzt siehst du’s, ich hab’ dir gesagt, daß es nicht funktioniert, komm schon, laß mich …” Ihre Stimme senkte sich, bis sie zu leise war, um noch verstanden werden zu können, die Worte nur mehr Stakkato-Geräusche, die sich hoben und senkten und gegeneinanderstießen, wobei das tiefere Knurren des Mannes den Strom hier und da unterbrach. Aleytys schnippte mit den Fingern. „Komm her, Lausebengel.”
    Linfyar hielt den Kopf schräg geneigt, und seine Ohren bewegten sich wie Mottenflügel, während er offenbar über das nachdachte, was sie gesagt hatte; dann stieß er einen Pfiff aus, trällerte eine kleine Melodie und rannte zu ihr.
    Aleytys sah einen Moment lang auf ihn hinab, dann lachte sie und streckte die Hand aus, um seinen Lockenschopf zu zerzausen.
    Aber sie tat es nicht. Sein Gesichtsausdruck hatte sich nicht verändert, trotzdem. „Das gefällt dir nicht.”
    Er seufzte, ein übertriebener Luftstoß, ein übertriebenes Heben und Senken der schmalen Schultern.
    Sie trat einen Schritt zurück. „Linfy…”, begann sie.
    Er lächelte zu ihr hoch, ein breites, engelhaftes Lächeln.
    Aleytys starrte ihn schweigend an, wollte etwas sagen und schwieg doch. Er war noch ein Kind, ein sehr feinfühliges, intelligentes Kind zwar, aber noch nicht soweit, um begreifen zu können, was sie ihm hatte sagen wollen. Er würde ganz allein lernen müssen, daß er ihnen nicht schmeicheln, daß er sie nicht manipulieren mußte. „Der Leim da ist verdammt heiß, Linfy. Und wenn er erst mal an dir klebt, dann wird er so schnell nicht wieder abgehen. Willst du dich verbrennen? Willst du aussehen wie eine von diesen Spottkrabben, die dir deine Ekansu-Freunde gezeigt haben… voller Erdreich und Blätter und Holzkrumen?
    Wenn ja, dann mach einfach nur weiter: mach dich zum Narren.”
    Dann kam ihr eine Idee, und sie lächelte. „Hör mal, wenn dir aber mehr danach ist, etwas wirklich Schweres zu tun, dann könnte ich deine Hilfe gebrauchen. Ja?”
    Das Lächeln auf seinem Gesicht verbreiterte sich noch mehr, die Ohren zuckten heftig. „Oh, ja, Herrin”, sagte er und streckte eine kleine Hand aus. „Bitte, was is’ es?”
    Aleytys nahm seine Hand in die ihre und spürte ein Aufwallen von Vergnügen; es war schön, seine vogelleichten, federweichen Finger zu halten. „Erinnerst du dich an das Mädchen, das nach uns auf die Insel gekommen ist?”
    Linfyar nickte. „Traurig und verrückt”, kommentierte er.
    „Traurig ja, aber verrückt stimmt nicht ganz. Sie hat nur jemanden verloren, wie du deine Mutter verloren hast, und deshalb ist sie ganz durcheinander. Weißt du, Linfy, deshalb haßt sie sich und die ganze Welt. Auf mich will sie nicht hören, aber vielleicht kannst du sie ja überreden, zum Abendessen zu uns zu kommen… Vielleicht kannst du sie sogar ein wenig trösten? Es wird nicht leicht sein. Sie will nicht getröstet werden. Aber sprich mit ihr, sieh zu. was du machen kannst. Und wenn sie nicht zulassen will, daß du ihr hilfst, gut, dann will sie eben nicht, und dann fühlst du dich nicht schlimm. Dann werden wir ihr einfach mehr Zeit geben müssen.
    Willst du es versuchen?”
    Linfyar nickte, und jetzt lächelte er nicht mehr, sondern strahlte eine echte Freude aus - Freude darüber, daß ihm eine solch ernsthafte Aufgabe anvertraut wurde. Er zog seine Hand aus der ihren zurück. „Aber wenn

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