Die Fallen von Ibex
darauf.
„Mir ist auch eine Geschichte eingefallen… Ein Hiiri-Mädchen hat sie mir erzählt, als ich Sklavin war, auf Irsud. Es war einmal in der Zeit der Dämmernis, bevor die Hyonteinim… Nein, Linfy, ich werde die Geschichte nicht immer wieder unterbrechen, um deine Fragen zu beantworten, du wirst das meiste, was du brauchst, aufschnappen, wenn du nur gut zuhörst und dein Köpfchen gebrauchst. Und später kannst du mich alles fragen, was du noch wissen willst - einverstanden? Also … In jener Zeit, bevor die Hyonteinim eine Traurigkeit erbauten, wo nur Freude gewesen war, ein Gefängnis, wo einst jedermann in Freiheit lebte, da lebte ein Mann mit sieben Töchtern, jedoch ohne Sohn. Nun, du kennst die Hiiri nicht, daher kannst du nicht wissen, was für eine schreckliche Sache es war, sieben Töchter, aber keinen einzigen Sohn zu haben; keinen Sohn, beim Tulkoda das Gesicht für ihn zu wahren, keinen Sohn, der für ihn sorgte im hohen Alter, keinen Sohn, der ihn ins Gepriesene Land sang, wenn seine Zeit gekommen war. So betrauerte er denn sein Schicksal und verfluchte seine Frau, aber gleichwohl liebte er seine Töchter, liebte sie allesamt und die jüngste am allermeisten. Überall ließ er sie an seiner Seite sein, und er lehrte sie, wie man jagte und Spuren las, wie man den Wind und die Zeichen der Natur deutete, all das, was ein Sohn wissen sollte; und so kam es, daß er manchmal völlig vergaß, daß sie kein Sohn war. Eine jede seiner Töchter war schöner als die andere, die Älteste konnte singen, daß selbst die Vögel in der Luft verzaubert waren, die zweite tanzte geschmeidiger und verführerischer gar als Lumikaer, die dritte kannte alle Heil- und Gewürzkräuter; eine jede von ihnen hatte eine ganz besondere Gabe, selbst die jüngste, welche die Sprache der Tiere sprechen konnte. Trotz alledem, trotz ihrer Schönheit und ihrer außergewöhnlichen Begabungen, war es für den Vater schwer, Ehemänner für sie zu finden.
Sie waren Töchter einer Mutter, die nur Töchter gebar. Doch wie die Zeit verging, schaffte er es für eine nach der anderen, schaffte er es durch hartes Bemühen und indem er sich seiner Besitztümer beraubte; schaffte er es für eine nach der anderen, bis nur mehr die Jüngste übrig war. Leider war er mittlerweile zu arm, um noch eine Mitgift aufbringen zu können für sie, so arm gar, daß er von den Tischen seiner Clan-Brüder die Reste aß.
Jetzt, da du ihn kennst, gehen wir in die Vergangenheit zurück.
Damals war die Jüngste, deren Name Takti-Persilli lautete, erst vier Jahre alt, und in dieser Zeit begab es sich, daß ein großer Wurm aus der Finsternis gekrochen kam und sich ein Nest baute an den Makemaha-Teichen, die als die beste Wasserstelle galten im ganzen Wüstenland. Und noch bevor der Frühling zwei Monde alt war, da hatte der Wurm bereits eine doppelte Handvoll Menschen und Tiere verschlungen. Für die Hiiri-Clans gab es keine andere Wahl, sie mußten diese Wasserstelle benutzen, und so versuchten sie, den Wurm zu besänftigen: sie brachten ihm sechs Herkala dar-schmale, gestreifte Tiere - und ein Dutzend Kayrilli - schnelle, kleine Tiere mit dichtem, weißem Fell. Der Wurm jedoch war indessen auf den Geschmack gekommen und bevorzugte Menschenfleisch. Er ließ sich nicht beschwichtigen.
Eines Nachts träumten alle Hexer, und alle ihre Träume besagten folgendes: Der Wurm wird sich für eine geraume Zeit zurückziehen von den Makemaha-Teichen, wenn er mit dem zarten Fleisch zehn- bis vierzehnjähriger Mädchen oder Knaben gefüttert wird.
So kam es, daß jedesmal, wenn ein Clan an die Makemaha-Wasserstellen kam, das Los gezogen und eine Tochter des Clans in jenen Hain geführt wurde, welcher die Wasserstellen umgab.
Dort ließ man sie an einen Baum gebunden zurück, als Opfer des Wurms. Zehn lange Jahre ging dies so, zehn lange Jahre verlor ein jeder Hiiri-Clan eine Tochter an den Wurm. Als nun für Persillis Clan die Zeit wiederkam, sich den Wasserstellen zu nähern, da suchte Takti-Persilli ihren Vater auf und sagte: .Lieber Vater, Ihr habt Euch für meine Schwestern aller Güter beraubt, bis Ihr für Euren Lebensunterhalt von der Wohltätigkeit des Clans abhängig geworden seid. Ich bin nur eine Tochter. Ich kann Euer Gesicht beimTulko-da nicht wahren, ich kann nicht sorgen für Euch, wenn Ihr im hohen Alter seid, ich kann Euch nicht ins Gepriesene Land singen, was also bin ich für Euch, als nur eine Belastung? Was spielt es da für eine Rolle, wenn
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