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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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hielt sich nördlich der Strömung und wanderte momentan ziemlich genau nach Nordosten, deshalb würde die geballte Macht des Sturmes an ihnen vorüberziehen; aber selbst die Ausläufer waren noch stark genug, um ihre Haare grau werden zu lassen. Sie tastete mit ihren Geistfühlern hinaus und versuchte, mehr von diesem Sturm zu erfassen, doch genausogut hätte sie mit bloßen Händen einen Schatten fangen können, und die hier tobenden Gewalten irrlichterten über ihre Nerven.
    Der Walkrake sträubte sich gegen ihren Zugriff, geriet in Wut über diese Mücke, die ihn da piekste. Doch sie griff zu und hielt ihn fest, bis sie ihn wieder ausreichend genug unter ihrer Kontrolle hatte. Dann ließ sie ihn herumschnellen und in die Tiefe hinabgleiten. Bevor sie sich von ihm löste, kitzelte sie ihn wieder in jene Wonne, in der treibend sie ihn gefunden hatte, bis er faul durch die ruhige und freundliche Tiefe glitt und halbherzig nach Nahrung herumzuschnüffeln begann. Mit einer letzten liebkosenden Berührung trennte sie sich von ihm und riß sich in ihren eigenen Körper zurück.
    Sie kam sich winzig vor, schwach, hilflos und unbeholfen - und wie erschlagen, als sie sich aufsetzte; wehmütig verglich sie ihren Körper mit dem, den sie gerade verlassen hatte. Es war kein fröhlich stimmender Gedanke - genausowenig, wie die Informationen, die sie in Erfahrung gebracht hatte.
    Siebenunddreißigster Tag
    Sie kauerten sich in der Hütte zusammen, und Linfyar zitterte vor Entsetzen; seine Sinne waren überwältigt von dem draußen herrschenden furchtbaren Toben; jetzt war er blind, wie er noch niemals zuvor blind gewesen war, blind, wie seine Gefährten blind waren in der absoluten Schwärze innerhalb der ächzenden Wände.
    Er schmiegte sich auf Aleytys’ Schoß und preßte sich hysterisch an sie. Die Bäume draußen knarrten und stöhnten, und selbst über diesen Aufruhr und den Aufruhr des Windes und den des Meeres hinweg konnte sie das Bersten und Kreischen hören, mit dem ein Baum nach dem anderen zersplitterte und zerfetzt wurde. Die Hütte steuerte ihre eigenen Geräusche bei, ein ständiges Knarren und Dröhnen, als der Wind an den Wänden entlangtobte und stieß und krallte und am Dach zerrte. Und die Insel drehte sich, schlingerte und bäumte sich unter ihnen auf, und Regen prasselte herab.
    Und der Sturm brüllte sein Lied hinaus, brüllte am allerlautesten, und hüllte sie ein; sie ertranken in einem Tohuwabohu aus Geräuschen, die kleinen Laute des Lebens allesamt verloren, so daß sich Aleytys hin und wieder selbst berühren mußte, um sich ihrer Realität zu vergewissern, um sich davon zu überzeugen, daß sie nicht zerschmolzen und eins geworden war mit dem Sturm.
    Es ging weiter und immer weiter - endlos-, bis es unmöglich schien, daß irgend etwas diesem unerbittlichen und allgegenwärtigen Ansturm von Gewalt standhalten könnte. Weiter und weiter und weiter. Der Morgen kam, ein leichtes Grauwerden der Schwärze im Innern der Hütte. Aleytys hielt Linfyar in ihren Armen, und sein zierlicher, weicher Körper schmiegte sich warm an sie an. Sie streichelte ihm über die Haare und hielt sein Gesicht an ihren Brüsten geborgen, und mit der anderen Hand streichelte sie seinen schmalen Rücken, sie besänftigte ihn, raunte ihm Trost zu, den er unmöglich hören konnte, obgleich er sich jetzt entspannte, schlaff wurde, schwer und warm an ihr, die Ohren fest angelegt und verschlossen vor dem Wüten des Sturmes. Er schlief sehr tief, und dieser Schlaf isolierte ihn von allem, was ihn entsetzte. Ihr Bein war ebenfalls eingeschlafen. Sie wollte es nicht bewegen, wollte den Jungen nicht stören; aber der kribbelnde, kleine Schmerz nahm zu, bis er rasch unerträglich war. Sie streckte ihr Bein gerade aus; eine schemenhafte Bewegung. Sie zog die Zehen an, lockerte sie, lokkerte die Muskeln, bis die juckende Taubheit abklang. Linfyar bewegte sich und knurrte einige unverständliche Laute; das hörte sie. Mutterohren, dachte sie und lächelte - aber das Ziehen in ihrem Gesicht verriet ihr nur zu deutlich, daß es mehr Grimasse als Lächeln war. Behutsam verlagerte sie Linfyars Gewicht an ihre andere Schulter, rieb sich über den Rücken, rutschte in dem Schlamm unter ihr herum. Es kam ihr so vor, als würde der Aufruhr ringsumher lauter, als würden die Stimmen von Wind und Wasser, die auf sie einschlugen, das Reißen und Bersten der Bäume verschlucken - aber nicht ganz-, als würden die Eckpfostenbäume heftiger

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