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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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klug ein, manchmal nicht. Eine gewaltige Macht, selbst im Vergleich zu den Kräften eines noch so starken Körpers - und doch wie eine stumpfe Nadel gegen das Schwert dieses Sturmes. Sie wußte, es war ein Monstrum, ihr Körper vibrierte unter seinen Ausstrahlungen. Wenn er die Insel direkt erwischte, dann würde sie umkippen oder zerbrechen - oder gleich sinken. Möglich, daß er sie näher an die Küste herantrieb, möglich, daß er sie mit verheerender Gewalt an Land schleuderte. Alles war möglich. Solange Aleytys unterwegs war, solange keine definitiven Informationen vorlagen, sowieso. Weiß nicht einmal, ob ich es wissen will. Was könnten wir schon dagegen tun, wenn er direkt auf uns zusteuert? Andererseits… alles war besser als diese quälende Ungewißheit. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Er liebt mich. Er liebt mich nicht. Oh Gott! Hier draußen wird es keine Springflut geben, keine Wasserwand, wie damals, sondern nur eine einzige Woge, die hoch und immer höher wird…
    Und den Sturmwind. Keine Tornados, die gibt es an Land. Wie nennt man sie hier draußen? Wasserhosen? Ich hab’ noch nie eine Wasserhose erlebt. Ob die so schlimm sind wie Tornados? Oder entstehen sie aus Hurrikanen, unmittelbar, bevor sie auf Land treffen? Ich hab’ gedacht, ich wüßte soviel, pah! Mehr als Aleytys, jedenfalls. Ich habe mich darauf konzentriert, die Dinger zu überleben, und nicht darauf, etwas darüber zu lernen. Dumm. Dumm.
    Späte Einsicht - aber was nützt die schon? So oder so - es wird das beste sein, wir verhalten uns so, als würden wir es schaffen. Wir müssen alles festbinden. Woran? Bäume, schätze ich. Sie ließ die Ferse gegen den Baumstamm pendeln, auf dem sie saß. Bäume gehen unter, aber was Besseres haben wir hier nicht. Wenn sie untergehen, dann geht alles unter. Wir auch. Rettungsleinen. Die Hügel könnten möglicherweise ein bißchen helfen. Gott. Was machen wir mit dem Knirps? Es wird ihm überhaupt nicht gefallen, festgebunden zu werden. Armes Kerlchen; wird nie verstehen, was da auf uns zukommt. Ich wette, etwas Schlimmeres als einen Schneesturm hat er nie erlebt; vielleicht nicht einmal etwas Schlimmeres als ein Sommergewitter. Gesehen? - Sowieso nicht.
    Nur gehört.
    Aleytys kicherte plötzlich, und Shadith drehte sich um, starrte sie an. „Was ist denn jetzt los?” Sie glitt von ihrem erhöhten Sitz und stupste Aleytys mit einem Zeh an. Es folgte keine Reaktion.
    „Beeil dich, Lee”, sagte sie, obwohl sie sehr gut wußte, daß sie sie momentan nicht hören konnte. „Ich werde kribbelig.” Sie sah noch einen Moment lang auf sie hinab, dann trottete sie zu der Hütte hin
    über.
    Das auf die geflochtenen Zweige gestrichene Leim-Erde-Gemisch hatte sich zu einer festen, elastischen Masse verhärtet, die geringfügig nachgab, als sie jetzt dagegentrat. Doch soweit sie dies sagen konnte, war sie zumindest so widerstandsfähig wie eine massive Holzwand. Könnte eine Weile halten, dachte sie. Ringsum
    - nahe genug - standen genügend Bäume, die ihnen zusätzlichen Schutz boten, und selbst wenn sie vom Sturm entwurzelt wurden-sie standen zu dicht, um auf die Hütte herunterkrachen zu können; ihre Zweige würden sich in den Zweigen der anderen Bäume verfangen. Wir werden ziemlich sicher sein. Solange nicht die ganze Insel untergeht. Und wenn sie das tut, dann sind ein paar umstürzende Bäume auch kein Drama mehr. Sie kicherte - und fröstelte, als sie unbarmherzigerweise an den durch die Betonmauer gerammten Frachter denken mußte. Als sie die Hütte zur Vorderseite hin umrundete, stand Wakille neben Aleytys, ein triefendes Bündel Fische in der einen, seine Angelrute in der anderen Hand.
    Wieder durchlief ein Schauer ihren Körper; sie stieß leise Geräusche aus, die ganz wie Lustseufzer klangen, und zwar ziemlich peinliche, wie Shadith feststellte. Sie blickte den kleinen Mann forschend an und räusperte sich.
    Wakille erwiderte ihren Blick. „Was geht da vor?”
    „Lee ist schwimmen gegangen. Kümmere dich um deinen eigenen Kram. Laß die Winzlinge fallen. Wir haben ein Problem.”
    „Linfyar?” Wakille legte die Fische ab, stieg über Aleytys’ Beine und kam auf Shadith zu.
    „Warte.” Sie streckte die Hand aus, hielt Wakille auf Armeslänge auf Distanz von sich. „Nur die Ruhe. Das Ganze hat nichts mit dem Knirps zu tun. Er tigert hier irgendwo herum.” Sie kaute auf ihrer Unterlippe. „Hast du je einen Hurrikan

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