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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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schwanken… die Wurzeln in der durchnäßten Erde gelockert, verschoben… Der festgestampfte Boden wurde von immer neuen Wassermassen überspült, verwandelte sich in einen Schlammpfuhl, senkte sich schwindelerregend schnell unter ihr weg; im nächsten Moment schon bockte die Insel erneut, kreiselte schneller. Ein unregelmäßiger Wechsel, unmöglich vorherzusehen oder vorauszuahnen. Und genauso unmöglich, sich an ihn anzupassen. Der Sturm und das Wasser hoben sie, ließen sie fallen, schlugen auf sie ein, neckten sie, ließen sie kreiseln und gleiten und schleuderten sie von einer Hüttenwand an die andere.
    Gegen Mittag wußte Aleytys, daß sie es nicht schaffen würden.
    Die Insel schmolz buchstäblich unter ihnen weg.
    Während Linfyar noch immer schlief (vor der Gefahr und dem ihn überwältigenden Aufruhr zurückgezogen), sondierte Aleytys in die Insel hinein; ihre Geistfühler tupften über schlüpfrig gewordene Bodenpartikel, die sich mehr und mehr voneinander lösten.
    Der Inselrand begann bereits wegzubrechen, große Brocken glitten in die aufgewühlten Fluten.
    Aleytys zitterte, wie die Insel zitterte. Alles, was sie tun konnte, war warten und hoffen. Nein. Nicht nur. Irgend etwas … Es mußte etwas geben …
    Linfyar murmelte einen schläfrigen Protest, und dieses Jammern zeigte ihr, daß sie ihn viel zu fest drückte, wenn sie sich zu sehr in das vertiefte, was sie jetzt tun mußte. „Shadith”, rief sie, aber ihre Stimme ging im Toben der Naturgewalten unter. Sie räusperte sich, versuchte es noch einmal, lauter jetzt: „Shadith!”
    „Was ist?”
    „Nimm Linfy.”
    „Was soll das?”
    „Nimm Linfy. Ich brauche Bewegungsfreiheit. Muß etwas tun.”
    Vorsichtig löste sie Linfyars feste Unklammerung - und spürte, wie Wakille ein Gemisch siedend-heißer Empfindungen entwich: Zorn und ein Hauch von Furcht, überwiegend jedoch tobende, hilflose Eifersucht; es quoll hinter seinem mentalen Schutzschirm hervor, mit einer Macht, die es ihm unmöglich werden ließ, sich nicht preiszugeben. Linfyar war Brennpunkt all seiner Empfindungen.
    Der Junge hatte sich an sie gewandt, nicht an ihn; sein Selbsterhaltungstrieb, seine Überlebensangst hatten ihn zu ihr getrieben; er wußte instinktiv, daß sie die stärkste der drei Erwachsenen war und daher am ehesten imstande, ihn vor allen Schrecken zu beschützen. Wakille mußte sich dessen ebensosehr bewußt sein, trotzdem… Er war diesen Gefühlen hilflos ausgeliefert, schien nichts dagegen tun zu können, ganz gleich, wie irrational das diesem so rational denkenden und handelnden Mann auch vorkommen mußte, diesem gerissenen Burschen, der nur zu gut wußte, wie man die Empfindungen anderer ausbeutete und wie man zuverlässig sicherging, daß einem die eigenen Empfindungen niemals einen Strich durch die Rechnung machten. Aber jetzt machten sie ihm einen Strich durch die Rechnung, jetzt war er verwundbar geworden, und das wußte er und konnte den Jungen doch nicht dafür hassen, daß er ihm dies angetan hatte. Und so mußte er Aleytys hassen, seinen Zorn, seine Eifersucht, seinen Haß gegen sie richten. Sie verzog in dem kalten Zwielicht das Gesicht, da sie wußte, daß sie von jetzt an auf der Hut vor ihm sein müßte; sie würde ihm nie wieder den Rücken zukehren dürfen. „Shadith!
    Hier!”
    „Gut.” Sie nahm den Jungen, nahm ihn in die Arme, tätschelte ihn und beschwichtigte seine schläfrig gemurmelten Proteste.
    „Was hast du vor?”
    „Weiß noch nicht.” Aleytys setzte ihre Inselerkundung fort.
    Bäume, Farnkraut, Wasserpflanzen, Erdschollen brachen in zunehmendem Maße weg, Wurzeln wurden durch die aufgeweichte Erde gerissen; die ganze Oberfläche der Insel verwandelte sich in Morast und verschob sich.
    Muß dieses Wasser loswerden, sagte sie sich, doch sie hatte nicht die blasseste Ahnung, wie sie die Katastrophe aufhalten sollte Solange der Regen fiel, würde es immer weitergehen - und schlimmer werden. Sie konzentrierte sich, versuchte einen Schutzschirm aufzubauen, der Wind und Wasser von der Insel fernhielt.
    Doch sooft sie es auch versuchte - jedesmal zerbröckelten ihre Anstrengungen unter der Macht des Sturmes, der unablässig weitergeiferte. Mehr und mehr sah sie in ihm eine Bestie, ein ungeheuer starkes Wesen, zu groß, um sie auch nur zu bemerken-oder gar die Stiche, die sie gegen ihn führte.
    Fehlschläge, nichts als Fehlschläge, und dieses Versagen wühlte Empfindungen in ihr auf, die sie beiseitezuschieben versuchte, jedoch

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