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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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durch Shadiths grobe Umquartierung war er aufgewacht, und jetzt zupfte und kratzte er an seinem schlammverkrusteten kurzen Pelz. Wakille beruhigte ihn und warf Aleytys undefinierbare Blicke zu.
    „Geh mit ihm hinaus”, sagte sie. „Da ist nur noch ein bißchen Wind, das ist alles.”
    Wakille nickte, sagte jedoch nichts. Er schob den Jungen durch das Türloch und kroch dann hinter ihm hinaus; die Klappe ließ er teilweise beiseitegeschoben hängen. Das Licht, das durch die dreieckige Öffnung hereinströmte, erhellte mit grausamer Deutlichkeit den morastigen Boden, ihre schlammverkrusteten Füße und ihre durchnäßte und ebenfalls schlammbeschmierte Hose. Sie rieb sich die Schläfen, was auch auf ihrem Gesicht Schlammstreifen hinterließ. Sie brachte nicht die Energie auf, sie wegzuwischen. Ihr gesamter Kopf pochte, ihre Augen tränten, sie kam sich vor wie der aufgewärmte Tod, und allein der Gedanke, sich eventuell bewegen zu müssen, sorgte dafür, daß es ihr den Magen hob; andererseits rebellierte alles in ihr dagegen, auch nur eine Sekunde länger in diesem Dreckloch zu bleiben. Sie stemmte sich hoch, kam irgendwie auf die Knie und kroch langsam, unter Schmerzen, ins Sonnenlicht hinaus.
    Neununddreißigster Tag
    Der Morgen dämmerte klar und ruhig. Der Himmel war strahlend blau. Die Wellen waren immer noch höher als normal, doch ganz allmählich kamen auch sie wieder zur Ruhe. Nach dem Frühstück half Aleytys den anderen bei den Aufräumarbeiten; schnitt die Äste gestürzter Bäume, stapelte sie als Feuerholz, während sich Wakille daranmachte, in der Hütte einen Holzboden zu verlegen. Er benutzte das Beil, um einige der größeren Äste der Länge nach zu spalten. Irgendwann wandte sie dem geschäftigen Treiben auf der Lichtung den Rücken und suchte ihre Lieblingszuflucht auf, jenen grasbewachsenen Höcker ganz oben auf dem mittleren Hügel. Dort ließ sie sich im sonnenwarmen Gras nieder, gähnte und rekelte sich und starrte ausdruckslos in das blendende Blau. „Harskari.” Sie wartete. Nichts. „Harskari!”
    Die Bernsteinaugen öffneten sich nur widerstrebend. Die Ahnung eines Gähnens… nur ein Gefühl; dann sprach Harskari mit schläfriger und abweisender Stimme. „Was willst du?”
    „Ich muß über das reden, was passiert ist.”
    „Wir hatten dieses Thema schon.” Ihre Stimme klang schleppend; die Augen verengten sich zu gelben Schlitzen. „Warum noch einmal alles durchkauen?”
    „Wie konnte es soviel Wut in mir geben - ohne daß ich das wußte?”
    Harskari antwortete nicht; sie schien an Aleytys vorbeizustarren - auf etwas, das nur sie allein sehen konnte. Sie wartete offensichtlich darauf, daß sich Aleytys aussprach und sie wieder in Ruhe ließ.
    „Ich habe Angst”. flüsterte Aleytys - und zwang ihre Geistgefährtin, zu bleiben, zwang sie, zuzuhören - wenigstens das. „Was, wenn ich noch einmal so explodiere… später? Wenn ich sie gefunden habe. Was, wenn ich sie umzubringen versuche? Meine Mutter.” Ihre Stimme versagte, ihr Mund war plötzlich trocken.
    „Was hast du erwartet? Was willst du mir damit sagen? Es ist deine Kraft, deine Macht. Wandle sie um. Lerne endlich, sie zu kontrollieren. Du bist kein Kind mehr, also hör auf, dich wie eines zu benehmen. Dir ist doch klar, daß du erst einmal dich selbst finden mußt, bevor du deine Mutter findest? Ich weiß, daß dir das klar ist. Und noch etwas ist dir klar… Daß du dir deinen Platz auf Vrithian wirst erkämpfen müssen. Ganz gleich, was du für deine Mutter Shareem empfindest - sie hat dich auf diese Aufgabe vorbereitet; sie hat dich abgehärtet, geformt… Wenn nichts sonst, das verdankst du ihr. Du kennst dich mit den Disziplinen aus, die zur Selbsterkenntnis führen, und du hast es immer wieder vermieden, sie anzuwenden, du hast tausend Ausreden erfunden, um deine Bequemlichkeit nicht stören zu müssen. Jetzt bleibt dir keine andere Wahl mehr… Und du hast Zeit. Also - nutze sie.”
    Aleytys ballte ihre Hände zu Fäusten. „Sie hat mich abgehärtet?
    Nein! Sie hat nichts damit zu tun … Ihre Gene - das ist alles, was sie mir mitgegeben hat!” Sie preßte die Lippen aufeinander, schluckte, schloß die Augen, fing an, gleichmäßig zu atmen, um ruhiger zu werden. Schon nach ein paar Sekunden gab sie es wieder auf; und begann von Neuem - und brach wieder ab. Sie starrte auf ihre zitternden Hände hinab. „In einer Sache hast du recht. Ich bin momentan nicht in der Form, es mit Vrithian

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