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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Momentan schien es ihr wichtiger, die Hände frei zu haben. Sie berührte den groben, grauen Stoff des Ärmels und dachte an das kleine, farblose Nachtwesen irgendwo vor sich. „Es gibt Mäuse in deinen Mauern, Memephexis”, murmelte sie.
    Ha’chtman, der Schmuggler, kehrte zurück. „Komm.”
    Melodramatisch, dachte Aleytys und unterdrückte ein Kichern.
    Sie folgte ihm um die nächste Biegung; bald darauf deutete er auf eine akkurate Öffnung in der Tunnelwand. Daneben lag ein Schachtdeckel auf dem Boden, wie eine Spinne auf dem Rücken; lange, dünne Klemmen waren wie Beine in die Luft gereckt.
    Ha’chtman deutete auf den Schacht. „Geh da hinunter”, wies er an.
    „Du willst wieder hereinkommen, also merkst du dir am besten, daß die Tür hier und am anderen Ende des Tunnels nur von innen geöffnet werden kann. Wenn niemand für dich aufmacht, gibt es keine Rückkehr. Achte gut auf deinen Sender. Wenn du ihn verlierst, brauchst du eine Menge Glück und mehr, um wieder durch die Mauer zu kommen.” Er war kühl und distanziert; weder sie selbst noch ihre Motive, die sie nach draußen zwangen, interessierten ihn. Er tat den Job, für den man ihn engagiert hatte, und er tat ihn ohne Aufhebens oder Überschwenglichkeit.
    Aleytys ruckte das Bündel in eine bequemere Stellung und war gleichermaßen gekränkt und belustigt über seine Gleichgültigkeit.
    Gerade das war sie nicht gewohnt; sie empfand es als heilsame kalte Dusche; gut für die Aufgabe, die jetzt vor ihr lag. Kurz verzog sie das Gesicht, spähte in das finstere und wenig einladende Loch hinab, dann machte sie sich an den Abstieg. Als sie unten ankam, verschwand das Licht über ihr; der Schmuggler hatte den Schachtdeckel an Ort und Stelle zurückgewuchtet. Die Klemmen rasteten mit dumpfem Schnappen ein. Die Schwärze rings um sie her war zum Schneiden dicht.
    Aleytys streckte eine Hand aus, berührte Metabeton, lächelte.
    Ein Geheimgang, mit Metabeton eingefaßt. Wie praktisch, und wie absurd. Sie tastete sich durch den neuen Tunnel vorwärts. Hoffentlich gab es keine Abzweigungen. Der Gedanke, Stunden oder Tage oder für immer in dieser klaustrophobischen Schwärze herumtappen zu müssen, machte sie nervös, doch sie zwang dieses Unbehagen nieder und ging weiter, mit einer Hand über die Mauer tastend, die andere in die Dunkelheit vor sich ausgestreckt.
    Irgendwann stießen ihre Fingerspitzen schmerzhaft gegen ein Hindernis direkt vor ihr. Zum ersten Mal dachte sie jetzt an die Streichhölzer in der Gürteltasche; sie ärgerte sich über die eigene Dummheit, machte sich aber nicht die Mühe, sie jetzt noch herauszuholen. Ihre Finger erkundeten die Oberfläche der Geheimtür, entdeckten einen kurzen Hebel, der aus einem schmalen Schlitz nach oben ragte. Sie schob ihn bis zum Anschlag nach unten.
    Die Tür glitt auf. Farnwedel wurden zurückgedrängt. Aleytys atmete tief durch und schob sich ins Freie; ihr Atem kam flach und schnell vor Erwartung. Die Tür schloß sich hinter ihr. „Ay”, murmelte sie. „Gut, daß ich es mir nicht anders überlegen will.”
    Sie blickte hoch. Der Mond war bereits nicht mehr zu sehen, und die Luft trug die kühle Stille der Zeit vor dem Morgengrauen in sich. Der Himmel war sternenübersät; eine üppige Pracht, anders als bei anderen Himmeln, die sie kannte, einschließlich demjenigen der Welt Universität. Und auch die Nacht auf Wolff war bei weitem trister. Sie zupfte die Kragenaufschläge ihres Umhangs vor dem Hals zusammen und lächelte, weil ihr Haupts Tochter einfiel - sie nestelte auch ständig an ihrer Kleidung herum, wenn sie nervös war. Aleytys verlagerte die Trageriemen auf den Schultern ein wenig und seufzte. Tamris war auf ihrer ersten Solo-Jagd. Sie wird ihre Sache gut machen, ein Ebenbild ihrer Mutter…
    Obwohl sie mir beileibe nicht dankbar wäre, wenn sie das von mir hören würde. Aleytys stieß das stumpfe Ende des Stabes in die feuchte Erde des Bachbetts, in dem sie stand. „Beweg deine Knochen, Lee. Zeit, loszulegen.” Sie setzte sich in Bewegung und entfernte sich von der Mauer.
    Beiderseits erhoben sich die Uferböschungen nicht ganz bis in Kinnhöhe. Sie stellte sich ihren grau umwickelten Kopf vor, der von dort oben aus gesehen - dahinglitt wie ein seltsam geformter Dachs, der nach Mäusen schnüffelte, und mußte in sich hineinlachen. Doch schon bald riß sie sich zusammen und blickte sich wachsam um. Oberhalb der Böschungen wucherte niedriges Gestrüpp, bizarre Gewächse mit

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