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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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gefährlichen Treck.
    Ihr angenehmer Traum dauerte an bis zum frühen Nachmittag des siebzehnten Tages ihrer Wanderschaft.
    5
    Schon bald nach der Mittagsrast fühlte sie sich gereizt. Es war nur eine Ahnung, ein vages Stimmungsbild, eher wie jene Atmosphäre vor Ausbruch eines Sturmes; aber das Firmament war nach wie vor eine schimmernde blaue Kuppel ohne den geringsten Wolkenstreifen im weiten Rund. Auf einer Hügelkuppe stehend, konnte sie weithin sehen. Monoton. Mürrisch trat sie gegen ein Grasbüschel und fluchte, als das Erdreich aufriß und alte Knochen davonwirbelten. Sie kickte sie mit der Stiefelspitze weg, deprimiert über diese Erinnerung an den Tod und eine vergangene Welt - an all das, was sie so angestrengt zu vergessen versucht hatte. Sie war nervös.
    Zum hundertsten Mal suchte sie den Himmel ab, und die Gereiztheit in ihr wuchs. Im Südwesten, dicht über dem Horizont, dann näherkommend, bemerkte sie einen kleinen, dunklen Flecken einen falkenähnlichen Vogel, der die Aufwinde nutzte und mit weit ausgebreiteten Schwingen dahinglitt, in weiten, trägen Spiralen…
    Er bewegte sich nicht geradewegs auf sie zu; er hielt mehr nach Norden als nach Westen.
    Sie ging weiter, bewegte sich behutsam, mit großer Vorsicht, vermied jede ruckartige Geste, alles, was einen zufälligen Beobachter auf sie hätte aufmerksam machen können; ließ sich schließlich neben einem trockenen Ginsterbusch nieder, der wie ein verwegener Schopf auf der Hügelkuppe wuchs. Ihr ganzer Körper prickelte, als wäre sie versehentlich von einer PSI-Sonde gestreift worden. Die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengezogen, spähte sie weiterhin zu dem Vogel, übergangslos belustigt über ihre plötzliche Ähnlichkeit mit Hana Esgard, dann schickte sie einen behutsamen Geistfühler aus und berührte den Vogel.
    Und riß sich wieder los, brach den Kontakt ab, zog sich in sich selbst zurück, blockte ab. Bewußtsein. In dem Vogel. Jemand etwas - auf der Suche nach ihr. Nach ihr? So oder so - auf der Suche. Der Vogel glitt auf sie zu. Aleytys versteifte sich. Er kreiste, schwang auf Nordkurs. Aleytys preßte sich flach gegen die braungraue Grasschicht, roch die Nähe des Ginsters und hoffte, daß sie mit ihrer mattgrauen Kleidung vollkommen genug mit der Umgebung verschmolz - zumindest ausreichend genug, um vor den scharfen Augen des Flugwesens sicher zu sein. Und hoffte zudem, daß sie ihren Geistfühler schnell genug zurückgerissen und daß sie schnell genug abgeblockt hatte, so daß dem Geistreiter keine Zeit geblieben war, sie ausfindig zu machen. Der gesprenkelte Schatten und der Überhang des staubigen, stacheligen Gestrüpps waren bestenfalls eine dürftige Deckung, aber momentan deutete nichts darauf hin, daß sie aufgespürt worden war. Sie hielt den Atem an, als der Falke abermals kreiste, dann nach Osten abschwenkte und schließlich direkt auf sie zusegelte… nur um gleich darauf wieder nach Norden davonzuschweben.
    Sie bewegte sich langsam und so behutsam wie möglich, darauf bedacht, den Ginster über ihr nicht zu berühren; sie tastete nach ihrem Bündel, zog die graue Gaze hervor. Ungeschickt, die Nase im Staub, wickelte sie den Turban um Kopf und Haare - denn gerade ihre feuerrote Mähne war am ehesten geeignet, ihre Anwesenheit zu verraten. Es wurde eine Schinderei, bedingt durch die Notwendigkeit, den Ginster völlig reglos zu halten, daß das Ganze gut genug hielt; der Turban war beileibe nicht straff gewickelt.
    Daraufhin bewegte sie sich eine Zeitlang nicht mehr, und der Falke verschwand im blauen Dunst über dem nördlichen Horizont.
    Aleytys wartete, bis auch das Kribbeln, das ihre Haut bis jetzt gereizt hatte, schwand; wartete für die Dauer weiterer Herzschläge ab, und dann richtete sie sich auf die Knie auf. Sie blickte hoch und erstarrte.
    Der Falke kehrte zurück, jetzt nicht mehr in einem eleganten Gleiten, nein - jetzt schoß er wie ein Pfeil nach Südwesten. Sie beobachtete ihn, sah, wie er hinter den Horizont tauchte, um irgendwo außerhalb ihrer Sicht aufzusetzen. Sie stand auf, kaute auf der Lippe, spähte in die Richtung, in der er verschwunden war.
    Harskaris bernsteinfarbene Augen waren ein Leuchten in ihrem Verstand. „Geistreiter”, sagte sie. „Interessant. Erklärt einiges von dem, was Hana Esgard erzählte.”
    „Das tut es.” Aleytys wischte kleine Zweige und Erdkrumen von ihren Kleidern. Sie band den Gazestreifen los und wickelte ihn rasch zu einem ordentlichen Turban. Seufzend steckte

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