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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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sie einige widerspenstige Haarsträhnen darunter. „Späher”, murmelte sie.
    „Hast du eine Ahnung, wonach er gesucht hat?” Sie nahm ihr Bündel wieder auf, rückte es zurecht, blickte sich um und ging dann den Abhang hinunter. Die Zufriedenheit der vergangenen Tage war zerstört. Sie fühlte sich verstimmt, ärgerlich über das Absacken ihrer Stimmung. „Das bedeutet: Wieder an die Arbeit, Lee, nehme ich an. Verdammt!”
    Aleytys ließ die Straße hinter sich zurück und tauchte in das Hügelland ein, bis sie fast einen Kilometer weiter südlich angekommen war. Die geistigen Fühler sondierend ausgestreckt, nahm sie ihren Marsch wieder auf, in einer langsamen, gleichmäßigen Gangart, da sie annahm, eventuellen Beobachtern so am wenigsten aufzufallen. Immer wieder sah sie den Falken auftauchen, und jedesmal erstarrte sie zu völliger Bewegungslosigkeit. Er zeigte kein Interesse an ihr; jedes Mal flog er in weiten Spiralen nach Norden, und jedes Mal kam er wieder zurückgeschossen und stieß irgendwo annähernd westlich von ihr zur Erde hinab. Sie konnte die Berge erkennen, eine schwache, blaue Linie tief am Horizont, ein gewelltes Heben und Senken, wie die abgenutzten Zähne eines uralten Wiederkäuers. Noch immer waren sie mehrere Tagesmärsche entfernt. Esgards Aufzeichnungen zufolge hielten sich die Eingeborenen stets in unmittelbarer Nähe ihrer Siedlungen auf vorausgesetzt, sie waren nicht auf Raubzug; dementsprechend müßte sie noch mindestens zwei weitere Tage lang ihren Frieden haben. Sie runzelte die Stirn, rief sich die Karte in Erinnerung und nickte. Keine halbe Tagesreise voraus, südlich der Straße, lag eine Faulstelle. Womit die Anwesenheit eines Eingeborenentrupps so weit außerhalb der Berge erklärt wäre.
    ESGARDS AUFZEICHNUNGEN:
    Wie Krebsgeschwulste sind die alten Städte über die ganze Ebene verstreut. Pockennarben im Gras. Unmengen von Glas, Schlacke, verdrehte Gerüste aus zerfallendem Stahl, ein paar Ruinen, aus der Ferne gesehen wie stumpfe Zähne, nicht viele, der größere Teil einer jeden Stadt ist zerfallen… zerschmolzen und auf gleicher Höhe mit dem Erdreich. Noch immer gefährliche Strahlung, obwohl jene Kriege, in deren Verlauf die Städte in Schutt und Asche gelegt wurden, seit Jahrtausenden Vergangenheit sind. Weiß nicht genau, was für Waffen sie benutzt haben - aber es waren schmutzige Waffen; unkontrolliert. Sie waren gründlich. Sie wollten sich gegenseitig auslöschen, und das haben sie getan. Die Faulstellen… Oasen, mehr oder weniger. Mutierte Pflanzen und Tiere (Fasstang sagt, auch Menschen, aber das fällt mir schwer zu glauben), die meisten ziemlich giftig, Pflanzen und Tiere gleichermaßen, manche nützlich, viele ausgestattet mit psychogenen Abwehrkräften; buchstäblich giftig- Sporen, Pfeile, symbioti-sche Insekten, Drüsenflüssigkeiten. Die Ökologie dieser Faulstellen müßte eine faszinierende Studie abgeben…
    jedenfalls, wenn man diese Studie erstellen… und überleben könnte. Die Eingeborenen durchforschen die Faulstellen ganz so, wie die Menschen auf anderen Welten nach wertvollen Metallen und Edelsteinen suchen. Ich kennzeichne die Faulstellen mit FERNBLEIBEN.
    Der Falke war hoch in der Luft und kreiste ganz in der Nähe, als Aleytys die Rast beendete, sich in die Gurte schlängelte und das Bündel mit einem Ruck auf den Rücken hob. Ein paar Minuten lang beobachtete sie das Tier nachdenklich, dann erklomm sie vorsichtig den Hügelhang; auf der Kuppe blieb sie stehen und überlegte ihr weiteres Vorgehen. Im Süden, in einiger Entfernung von jener Stelle, über der der Falke kreiste, machte sie eine Baumgruppe aus - bizarre schwarze Finger, die hoch über die Ebene emporragten. „Harskari”, murmelte sie. „Shadith. Sagt, was haltet ihr von einem kleinen Spaziergang nach Süden? Erkundungsunternehmen. Wir kommen nicht weit vom Weg ab.”
    Harskari rührte sich nicht, doch Shadiths Augen öffneten sich.
    Phantomhaft entstand das zarte, schmale Gesicht rings um die purpurnen Augen; rotgoldene Locken schienen wie energiegeladen zu knistern. Sie lächelte: „Warum nicht?”
    Mit ausgestreckten Sinnen, den Falken stets wachsam im Auge, auf jede Veränderung seines Schwebens vorbereitet, ging Aleytys nach Süden - auf die Bäume zu. Einen Blick weit über Land, das war es, was sie brauchte. Einen Blick, der ihr half, den Geistreiter zu meiden und wer immer bei ihm sein mochte, denn irgend jemand mußte bei ihm sein - niemand außer ihr selbst

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