Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
Vom Netzwerk:
Boden. Das Wesen starrte sie an; ein mißgestalteter Fuß tastete nach dem halb in den Sand eingetauchten Pfeil. Mit einem Wutschrei warf es den Bogen beiseite und stürzte los.
    Aleytys schnellte hoch, vertraute auf Harskaris Kunst; sie packte das Jagdmesser fester, brüllte dem angreifenden Monstrum ihre Herausforderung entgegen und stand breitbeinig, leicht vorn
    übergeneigt, pendelte den Oberkörper aus; die Klinge ragte schräg nach oben, die Spitze ihm zugewandt. Das Etwas stieß ein kreischendes Heulen aus, dieses Mal ein angstvolles Winseln. Es stoppte zappelnd und zog sich wie rasend zurück. Staub puffte hoch. Das Monster machte kehrt und hetzte in das Gewirr der düsteren Ruinen davon.
    Aleytys atmete durch; schwebte in sich selbst, ignorierte den Schmerz, der momentan nicht real war, stand aufrecht und riß den Pfeilschaft endgültig aus der Wunde. Es war ganz leicht. Sie schleuderte ihn weg, betastete ihren Rücken, berührte die warme Nässe. Als sie die Finger zurückzog, sah sie die Schmierschicht Blut darauf und verspürte leise Besorgnis… aber sie ignorierte auch sie, gerade so, wie sie einen unerwünschten Juckreiz ignorieren würde, und griff nach dem dunklen Strom und holte sich die Lebenskraft, die sie benötigte, um die Wunde zu heilen.
    Harskari tadelte sie. „Du mußt die Wunde säubern”, raunte sie, und ihre Stimme hallte dennoch in Aleytys Kopf wider. „Du hast nicht alles herausgeholt, Mädchen. Die Spitzen der Widerhaken nicht, und die winzigen Holzsplitter auch nicht.”
    Madar! dachte Aleytys. Folgsam tastete sie in das zerfetzte Fleisch, mit Geistfingern, die unbeholfen und unsicher waren Ergebnis ihres vernachlässigten Trainings. Obgleich die Existenz von PSI-Fähigkeiten längst anerkannt war, neigte man selbst auf der Universität dazu, sich auf realere und berechenbarere Disziplinen zu konzentrieren - zumindest in jenen Ausbildungszentren, die sie durchlaufen hatte. Harskaris und Shadiths wahllose Unterweisungen waren alles, was sie hatte - und letzten Endes waren diese Unterweisungen eher praktische Beispiele denn Erklärungen; um zufällige Ereignisse gruppiert -keine strukturierte Unterrichtung.
    Schließlich war Harskari zufrieden, und Aleytys stimulierte die Regeneration ihres Fleisches; sie heilte die tiefe Wunde, heilte sie von innen nach außen und von außen nach innen, bis sich die Haut geschlossen hatte; eine Aufgabe, die ihr durch viel zuviel Anlässe so leicht fiel, daß sie kaum zu überlegen hatte, was genau zu tun war. Shadith seufzte vor Erleichterung; Harskari lockerte ihren Zugriff auf das Schmerzzentrum. „Das hätte nicht passieren dürfen”, tadelte sie. „Du warst unaufmerksam.”
    „Ja, ein wenig unaufmerksam”, pflichtete Shadith widerstrebend und mit vager Wachsamkeit bei; in den vergangenen Monaten war Harskari abweisend und schnippisch geworden - eine Belastung für den anderen Geist des Diadems. Es kam Aleytys ganz so vor, als versuche sie, ein paar Probleme mit sich selbst auszumachen.
    Aleytys drehte sich langsam um und ließ wachsame Blicke über die zerschmelzenden Häuser gleiten. „Ja, ich glaube, das war ich.”
    Sie nickte zum Tor hin. „Die Knochen, die ich da draußen gefunden habe, zeigen die Vergangenheit deutlicher, als mir das lieb ist.
    Ich habe die Gegenwart vergessen.” Sie kickte den Pfeilschaft davon; ließ ihn in trüben Staubwolken fliegen. „Das war eine schmerzhafte Ermahnung.” Sie machte eine weit ausholende Geste. „Seht euch diesen Ort an. Er ist zu alt, zu… oh, wie soll ich es ausdrücken… zu tot.” Sie fröstelte, als sie an ihren Giftwahn dachte, an das verweste Fleisch der Toten. „Wer hätte gedacht, daß hier überhaupt noch etwas lebt?” Das Monstrum selbst schien diesem irrwitzigen Fiebertraum entsprungen zu sein - aber wenigstens war es lebendig. Gescheckt, mit einem verkrümmten Rücken, mit einem Schuppenpanzer wie eine Eidechse, und mit einem Eidechsenkamm, der den unförmigen Schädel überzog; ein kurzer Rumpf, so, als gebe es dort nur ein einziges Paar Rippen. Die Organe schienen allesamt auf engstem Raum zusammengeschoben zu sein, hoch angesetzt und verletzlich. Dazu zerbrechlich wirkende, spinnenartige Beine, die Füße eher wie übergroße Hände, mit langen, knotigen Zehen. Das Etwas hatte eine Art Kleidung getragen, Fetzen, Tierfelle.
    Sie betrachtete den im Sand liegenden Bogen, ging schließlich nach einem weiteren aufmerksamen Rundblick zu ihm hinüber, berührte ihn mit der

Weitere Kostenlose Bücher