Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
Vom Netzwerk:
Tiefen hinab und packten sich die Fische, die sich, angelockt von den Gleitkäfern, die hier und da über Mondlicht und Sternengefunkel flitzten, an die Wasseroberfläche wagten. „Keine Spur von seinem Zeichen.” Sie gähnte wieder. „Aber er wird beritten sein und schneller reisen, als ich das zu Fuß kann. Vielleicht bei der Mittagsrast, wahrscheinlich an der Kreuzung der beiden Stra
    ßen. Das hört sich realistisch an. An der Kreuzung.” Nachdem sie das Feuer gelöscht hatte, streckte sie sich auf der Plane aus, faltete den Umhang zu einem Kissen und rollte sich in ihre Decke. Auf dem Rücken liegend, starrte sie hinauf in die ineinander verflochtenen Zweige und Blätterebenen und spürte jeden auch noch so winzigen Schmerz in ihrem Körper. Scheinbar eine Ewigkeit lang lag sie so, und all ihre Gedanken passierten Revue - Grey und Swardheld, Vrithian, ihr eigenes Zögern, in dem zu wühlen, was sie für den Sündenpfuhl ihres mütterlichen Erbes hielt, ihre heftige und unerwartet emotionale Anteilnahme an dieser Suche, und wieder Grey - und eine j ähe, durchdringende Sehnsucht nach ihm, ein Gefühl, das dafür sorgte, daß sie sich mit schmerzenden Brüsten aus ihrer Decke schlängelte, sich aufsetzte und in die Finsternis lauschte - und schließlich müde ihre Atemübungen anwandte, um wieder zu sich selbst und zur Ruhe zu kommen. Irgendwann schlief sie ein, und das Gurren der Vögel in den Bäumen, das summende, schnarrende Zirpen der zikadenähnlichen Tiere, das träge Sprudeln der Quelle und die papieren raunende Beharrlichkeit der Blätter versanken in weiten Fernen.
    4
    Am dritten Tag erwachte sie und fühlte sich wohl und voller Lebenskraft. Ihre Füße schmerzten nicht mehr, ihr ganzer Körper fühlte sich behaglich. Sie riß einen Streifen von der Turban-Gaze ab und band ihre Haare zu einem langen, roten Schweif zusammen, der frei über ihrem Nacken flatterte, so daß Luft an ihre Haut kommen konnte.
    Wieder blieb die Stille des Tages ungestört; weder von menschlichen Angreifern noch von Raubtieren drohte Gefahr.
    An diesem Abend saß sie, die ausgebreitete Karte über dem Schoß, träumend am Feuer - ihr Gesicht warm, die sanfte Nachtbrise kühl am Rücken und an den Ohren; sie saß da und starrte in die Glut, gedankenlos, entspannt… ließ sich treiben, war zufrieden, in Halbtrance. Ein wenig lächelte sie, die Fingerspitzen einer Hand rieben leicht über den festen, glatten Stoff, auf den die Karte gedruckt war… Weit entfernt war ihr bewußt, daß Entscheidungen zu treffen waren, keine dringenden Entscheidungen, nein, noch genügend Zeit, mindestens noch ein Dutzend Tage, nichts Bedrohliches, alle Zeit der Welt stand zu ihrer Verfugung. Shadith und Harskari waren bei ihr, teilten ihre Zufriedenheit und schwiegen wie sie, waren einfach nur da, in ihrem Kopf, als Gefährtinnen und Freundinnen. Sie spürte ihre Präsenz, und das machte sie glücklich. Wenn sie die Augen schloß und den Blick nach innen wandte, konnte sie ihre Augen im Dunkeln schimmern sehen, konnte sie die Geisterbilder ihrer Gesichter rings um ihre Augen angedeutet sehen. Aber sie starrte ins Feuer und beobachtete, wie Rot und Gelb über die glänzende schwarze Holzkohle spielten. Ihr war nach Lachen zumute, doch sie war zu faul und zu müde dazu.
    Nachdem sie das Feuer gelöscht hatte, streckte sie sich wieder auf der Bodenplane aus, dieses Mal, ohne sich die Mühe zu machen, die Decke über sich zu ziehen. Der Mond war ein gezacktes Halbrund aus milchigem Weiß, das über einem intensiv schimmerndem Sternenfeld schaukelte. Sie blinzelte zu dieser Pracht hinauf, gähnte und fiel mit einer Leichtigkeit, die sie selbst verblüffte, in einen tiefen und größtenteils traumlosen Schlaf.
    Die Tage vergingen; langsame, goldenen Tage.
    Sie hörte auf zu grübeln, und es kam ihr mit einem Mal so vor, als sei das Rennen selbst wichtiger als das Erreichen des Zieles.
    Tag um Tag marschierte sie, und immer wieder spürte sie Esgards Zeichen auf; Tag um Tag fand sie gemeinsame Rastplätze, Knotenpunkte … und ab und zu entgingen ihr auch welche. Sie machte sich keine Sorgen deswegen. Manchmal unterbrach sie ihre Wanderschaft bereits lange vor Sonnenuntergang und ging auf die Jagd oder angelte in einem Bach oder einer Quelle. Trockene, goldene Tage, warm und von einem Frieden erfüllt, den sie nur mit jenen nebligen, bleichen Tagen in den Eislanden auf Wolff vergleichen konnte … Damals, zusammen mit Grey, auf dem großen,

Weitere Kostenlose Bücher