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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Werk vollendet und so gut erledigt, wie dies in ihren Kräften stand. Sie atmete tief durch, und es kam ihr so vor, als hätte sie die Luft für Ewigkeiten angehalten.
    Shadith blinzelte, ihre Augen begannen zu leuchten, das Gesicht nahm straffere Züge an und glich plötzlich entfernt jenem Gesicht, das sie so oft in ihren Gedanken gesehen hatte. Noch immer ziemlich unbeholfen (doch bereits wesentlich geschickter als beim ersten Mal) bewegte sich Shadith, erkundete ihren neuen Körper und berührte schließlich Aleytys’ Arm. „Laß mich aufstehen.”
    Aleytys schloß die Augen, rief die Kraft in das symbolische Flußbett tief in sich zurück und gab den warmen und lebendigen Mädchenkörper aus ihrer schützenden Umarmung frei.
    Shadiths Hände tasteten über das Gras; behutsam stemmte sie sich hoch, in eine sitzende Stellung. Sie streckte die Hände aus, Handflächen nach unten, warf den Kopf in den Nacken und lachte vor Freude. Sie versuchte aufzustehen- und fiel zurück, kichernd.
    Aleytys wollte sie stützen, doch ihre Hand wurde beiseite geschoben. „Ich will es allein tun”, hauchte Shadith. „Es ist so lange her…” Ihre Stimme klang verschwommen und belegt, aber jetzt waren die Worte klarer. Behutsam verlagerte sie ihr Gewicht, erhob sich, machte einen Schritt, schwankte unsicher, bewahrte ihr Gleichgewicht… Ein plötzlicher wilder Schrei jenseits der Hügel ließ sie zusammenfahren.
    „Besser, wir verschwinden!”
    Aleytys lachte. „Wer hält uns wohl davon ab, frage ich dich.’ bie stand ebenfalls auf, war überrascht, wie müde und steif sie sich fühlte. Sie bewegte die Schultern, streckte sich vorsichtig, rekelte sich, bis die schlimmste Ungelenkigkeit verschwunden war. „Fang uns ein paar Reittiere, ich muß mein Bündel holen.”

IV
    Über die Berge

l
    Aleytys schwang sich auf das Gyr und setzte sich so bequem wie möglich auf der geflochtenen Satteldecke zurecht; sie stieß die Stiefel in die Steigbügel aus geflochtenen Seilen, und dann war ihr Gewicht richtig verlagert. Das Gyr tänzelte prustend und mit heftigem Kopfschütteln zur Seite weg, Aleytys beugte sich vor und tätschelte die zuckenden Flanken, kraulte die Halskrümmung weiter oben, und wieder die Flanken. Der Gyrkörper vibrierte unter einem tiefen, grollenden Schnurren, und das Tier stand still, schnüffelte im Gras, beruhigt und zufrieden. Sie lächelte, streichelte seine Flanken ein letztes Mal und wandte sich dann Shadith zu, die ziemlich unbeholfen auf ihrem Reittier saß und ausdruckslos auf die blaue Wellenlinie der Berge starrte. „Bist du in Ordnung?”
    „Mach kein Aufhebens meinetwegen. Mir geht es gut.” Shadith bewegte sich unruhig auf dem Sattelpolster; ihre Stimme war noch immer ein wenig rauh, doch ihre Artikulation hatte sich merklich verbessert. „Welche Richtung?”
    „Norden. Zurück zur Straße.” Sie spähte über die Schulter und erschrak, als sie ein paar Rufe und Stimmengewirr hörte. „Zurück auf Esgards Spur.”
    Sie ließen die Toten, die Lebenden und die Sterbenden hinter sich und trieben die Gyori an, bis das gewellte Land an ihnen vorbeiflog. Nach Norden. Zurück zur alten Straße. Hin und wieder sondierte Aleytys weit über die Ebene zurück, besorgt wegen einer möglichen Verfolgung durch die überlebenden Centai-zel-Frauen, doch da gab es nichts als das Hitzeflimmern über den Gestrüppflächen und den Anhöhen. Der Nachmittag war erfüllt von einem tiefen Schweigen - selbst die kleinen Lebewesen im Strauchwerk, die Nagetiere, Reptilien und Insekten, schienen sich für die Dauer des Kampfes zurückgezogen zu haben, vielleicht gar für die Dauer der Tageshitze. Hoch droben kreiste der Falke und schwebte schließlich verunsichert hinter ihnen her, glitt tiefer, als erwarte er etwas ganz Bestimmtes… Als das nicht eintraf, segelte er davon, zurück zu den überlebenden Frauen, nur um bald darauf in erneuter Enttäuschung abermals zu wenden - schlußendlich dem vertrauten Körper der Falknerin treu, auch wenn der Geist anders war.
    Shadiths neuer Körper war klein, schmächtig, sehr zierlich; ihre Hände und Füße wirkten zerbrechlich. Ihre Finger waren f eingliedrig und lang. Das Gesicht wirkte seltsam unfertig, ihre Brüste waren sanfte Wölbungen; sie schien sehr jung, kaum der Pubertät entwachsen. Ihre Haut war babyglatt, frisch, ein warmes, hellesBraun. Die langen, dünnen Zöpfe schimmerten goldbraun und waren durch mindestens ein Dutzend Hölzchen gefädelt. Zahllose feine

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