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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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    über einen wachsenden Groll. Aber jetzt stand auch sie im Bann des Geschehens.
    Der Regen peitschte jetzt in heftigen Schleiern heran; Sturmwind fauchte und zerrte an den Reiterinnen. Die fünf Wärmequellen waren jetzt ganz nahe, obgleich noch immer nichts zu hören war, nicht einmal das Schreien des Opfers. Donner grollte über dem Tal; Blitze züngelten ihm voraus. Der Regen fiel jetzt dicht und schwer, ein ungleichmäßiges Fallen, vom Wind flachgedrückte Güsse.
    Sie zügelte ihr Gyr. Ließ den Zügel fallen, knotete ihn fest. Glitt aus dem Sattel. Schnallte den Kampfstock los. Schlängelte sich auf Händen und Knien und schließlich auf dem Bauch durch das Gestrüpp, den Kampfstock fest umschlossen; die kleinen Geräusche ihres Fortbewegens wurden von Donner, vom Wind und vom Regen überlagert.
    Aus einer sicheren Gestrüppdeckung heraus schaute sie schließlich auf eine fast kreisrunde Lichtung hinab. Vier Ausgestoßene umringten eine Mulde im Zentrum der Lichtung. Sie erschauderte, als sie sie sah, und ihr Blick huschte weg, ohne daß sie dies gewollt hätte, huschte zu der Grube hinüber, und zu dem Gefangenen, der darin ausgespreizt auf ebener Erde angepflockt war. Hand- und Fußgelenke waren mit glatten Lederriemen an in die Erde getriebene Strauchstämme gefesselt. Neben ihm erlosch qualmend ein kleines Feuer zu schwarzer Schlacke; die Glutstücke waren der Übermacht des Regens nicht gewachsen. Ein kleiner Mann, hilflos ausgestreckt, mit schrecklichen Wunden übersät, verkohltes Fleisch, blutige Striemen. Sie schloß ihre Hand fest um den Kampfstock und zwang sich, auch die anderen genau zu betrachten.
    Diese vier… Kreaturen… Menschen (?) waren damit beschäftigt, große Äste und Zweige aus den Gestrüppen zu schneiden und in die Mitte der Lichtung zu schleppen. Einer von ihnen trieb einen mächtigen Stamm in den Boden; binnen weniger Sekunden wurde daran ein einfacher Schutz gegen Wind und Regen errichtet.
    Menschen allein deshalb, weil ihre Gestalt Assoziationen erweckte. Eine Gestalt, wie von ungeheuerlichen Wesenheiten angefressen, verzerrt, die ursprüngliche Form bis zur Unkenntlichkeit geschändet. Sich selbst zum Trotz mußte Aleytys eingestehen, daß sie sie nicht länger als jeweils einige wenige Sekunden betrachten konnte. Diese Welt hatte ihre Pockennarben - die Faulstellen, die modernden Sumpflande, aus denen heraus sich der Verfall in langsamen Strudeln mehr und mehr ausbreitete.
    Das, was sie hier vor sich sah, waren die Pockennarben der hier lebenden Völker, die sich selbst auf winzige Zellen reduziert hatten und denen es bis heute nicht gelungen war, resistent zu werden gegen die Folgen der von ihren Ahnen betriebenen Mordorgien. Aus den Städten verjagt, da die Väter den Anblick ihrer Kinder nicht mehr ertragen konnten, waren sie die Sündenböck für jene geistig-moralische Perversion ihrer Vorfahren, die mit ihrem Kriegstrieb einen Prozeß in Gang gesetzt hatten, aus dem schlußendlich sie hervorgegangen waren.
    Shadith kroch neben sie, spähte ebenfalls durch das Gewirr von Zweigen und Blättern. Aleytys hörte, wie ihr der Atem stockte, und berührte sie an der Schulter.
    Die Kreaturen - die Ausgestoßenen - knurrten, glucksten, schmatzten unverständliche Silben, offenbar sehr zufrieden mit sich; in aufgeregter Vorfreude sehnten sie die volle Kraft des Unwetters herbei und starrten immer wieder auf den in der Grube angepflockten Mann hinab. Einer von ihnen betastete eine dünne Kehle, die mit grauen, schwammigen Lappen verunziert war, ehemals vielleicht Kiemen, ausgestoßen von einem Körper, der hiernach vergessen hatte, wofür sie gedacht gewesen waren; dann stieß er den Gefangenen mit einer zweifingrigen, daumenlosen Hand an.
    Der Regen prasselte auf den Mutanten herab, was ihn jetzt zu einem gackernden Lachen erheiterte. Er trommelte gegen seinen Brustkorb und mimte wiederholt ein keuchendes Atemringen. Ein Röcheln. Ertrinken.
    Aleytys schluckte. Shadiths Hand schloß sich schmerzhaft um ihren Arm, ihre Augen waren geweitet; schockiert. Aleytys nickte.
    Langsames, unausweichliches Ertrinken. Während die Kreaturen in ihrem Unterstand kauernd zusahen. Es genossen.
    Der Gefangene war ein kleiner Mann; abgesehen von seinem gefurchten, faltigen Gesicht hätte er ein Junge sein können. Aber dieses Gesicht war alt, älter als die Erde, ein Gesicht, das von jedem neuen Blitz aus der Finsternis gerissen wurde. Er war nackt.
    Blutergüsse überzogen seinen Körper, die

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