Die falsche Braut für Ewan? (German Edition)
angetrieben von der Kraft seiner Wut.
Aber Wut, stellte er bald fest, war nicht die ideale Triebkraft. Sie brannte zugegebenermaßen heiß. Aber sie verglomm auch umso schneller. Schon bald löschte das Meerwasser selbst das letzte bisschen Glut.
Nachdem er das Gefühl hatte, eine lange Zeit kräftig geschwommen zu sein, und doch nur ein kleines Stückchen näher an die Küste gekommen war, begann Ewan sich erneut zu fragen, ob er eigentlich verrückt geworden war. Ein einfaches Ja hätte ihm weniger Sorge bereitet als die Antwort, die sein Gewissen ihm gab.
Es teilte ihm in sehr bestimmter Weise mit, dass er ein Esel gewesen war. Und das nicht nur, weil er gerade von Bord gesprungen war.
Er hatte Claire Talbot keine faire Chance gegeben. Er hatte es vorgehabt und eine Weile auch versucht, aber das erste Anzeichen von Kühle ihrerseits hatte ihn wieder in die Offensive getrieben. Die Tatsache, dass er zu spät zum Dinner gekommen war, hatte ihm die Laune verdorben. Er hätte jenen ersten Whisky nie so schnell herunterstürzen dürfen, geschweige denn noch zwei weitere.
Vielleicht hatte die Dame ihn mit all ihrem glitzernden Schmuck und dem feinen Essen gar nicht beleidigen wollen. Vielleicht hatte sie auf eine sehr ungeschickte Art und Weise versucht, ihm eine Ehre zu erweisen – indem sie ihm zeigte, dass er es wert war, sich elegant für ihn zu kleiden und ihm die besten Gerichte zu servieren? Sehr gut möglich, gab Ewan zu, als er von einer großen Welle erfasst wurde und hustend versuchte, über Wasser zu bleiben.
Die Dinge veränderten sich mit dem eigenen Blickwinkel. Das hatte er schon vor langer Zeit während seiner Tage als Gillie gelernt. Das Wasser und die Küste hatten beide vom Deck der Marlet aus näher gewirkt – vielleicht, weil er sich das gewünscht hatte. Claire Talbots Verhalten war ihm hochmütig und feindselig vorgekommen, weil er es so hatte wahrnehmen wollen. Und wenn sein ungehobeltes Benehmen sie dazu gebracht hatte, verbal um sich zu schlagen, konnte er es ihr nicht verübeln.
Seine Arme fühlten sich schwach und schlaff an wie zwei Beutel voller Talg. Aber als er versuchte, sich auszuruhen, begann die Kälte des Wassers ihm in die Knochen zu kriechen. Er sammelte seine Kräfte und schwamm weiter.
Die eiskalte Angst, die sich in ihm ausbreitete, ließ die Wellen im Vergleich geradezu warm erscheinen. Was, wenn er es nicht bis zur Küste schaffte? Was, wenn er sein Leben seines närrischen, unangebrachten Stolzes wegen einfach weggeworfen hatte? Welche Gründe hatte er denn bei genauerer Betrachtung seines Verhaltens überhaupt, stolz zu sein? Verdammt wenige. Dagegen hatte er sehr viele Gründe, sich zu schämen.
Seine verwirrenden Gefühle der Begierde für Claire Talbot vor allem. Sie trug keinerlei Schuld daran, egal wie sehr er versucht hatte, sich damit herauszureden, dass sie es tat.
Würde er je die Chance bekommen, ihr zu sagen, dass es ihm Leid tat?
Als sie zusah, wie Ewan Geddes ins Wasser tauchte, befürchtete Claire, dass sie in Schuld ertrinken würde.
Sie hatte ihm Unrecht getan. Der Mann war kein Mitgiftjäger. Nachdem sie ihm ihren Reichtum unter die Nase gerieben hatte, war er ins Meer gesprungen, um von ihr wegzukommen. Wie viele zwingende Beweise brauchte sie noch?
Sie hätte schon am vergangenen Abend beim Dinner die Wahrheit erkennen müssen. Vielleicht wäre es ihr bewusst geworden, wenn ihre Gefühle für ihn sie nicht blind gemacht hätten.
"Mann über Bord!" Ihr Ruf war gar nicht nötig. Die Crew hatte zugesehen. Es gab Zeugen, dass sie beinahe ebenso viel Schuld trug, als hätte sie ihn eigenhändig ins Wasser gestoßen. "Captain, drehen Sie um!"
"Das geht nicht, Miss." Captain MacLeod schüttelte den grau melierten Kopf. "Wenn wir versuchen, noch näher an Land zu kommen, laufen wir auf Grund."
"Dann in die Boote!" Claire sprang ins nächste Rettungsboot, ein kleines Ding, das in der Not nicht mehr als ein halbes Dutzend Leute fassen würde. Tessa und sie waren darin oft um die Ufer von Loch Liath gerudert.
Der Kapitän bellte eine Warnung, doch Claire befahl den beiden nächststehenden Mannschaftsmitgliedern: "Lasst es herunter und zwar sofort!"
Sie waren zu gut gedrillt, um zu zögern. Oder vielleicht waren sie besorgt wegen Ewan und deshalb eifrig darauf bedacht, alles zu tun, was in ihrer Macht stand. Das kleine Boot hatte kaum die Wasseroberfläche erreicht, als Claire klar wurde, dass sie einem der Männer hätte befehlen sollen
Weitere Kostenlose Bücher