Die falsche Frau
zur Seite.
»Hast du Claire umgebracht?«
Katzan lächelte dünn.
»Warum hast du Claire umgebracht?«
Katzan hustete wieder, er lächelte immer noch. »Ich … ich … war das nicht.«
»Was?«
François hielt sich eine Hand ans Ohr und formte es zu einer Muschel, als würde er nicht genau verstehen können.
»Sie … ich … hab sie … sie wollte lieber sterben, als mit mir zusammen zu sein.«
»Schwachsinnsgefasel«, sagte François.
»Sie wollte … sie … war … mies drauf«, sagte Katzan zähneklappernd. Dann brach er in eine Art Schluchzer aus.
»Du lügst doch«, sagte François.
Einen Moment lang bewegte sich keiner von beiden.
»Ich … konnte nicht«, redete Katzan weiter.
»Was konntest du nicht?«
François fixierte sich auf den bläulichen Schein seiner Lippen.
»Sie nicht gut ficken?«
Katzan zuckte mit den Achseln. Seine Augen weiteten sich, und er hatte plötzlich eine wässrig weiche Stimme. »Ertragen, dass sie das für dich gemacht hat. Für dich, Lecour«, sagte er.
François hatte keine Ahnung. Sein Gehirn kam ihm vor wie eine gläserne Leuchtkugel, die jeden Moment in die Luft gehen konnte.
Was wollte ihm Katzan damit sagen? Vielleicht war es nur die stählerne Kondition eines Mannes, der sich jetzt herausreden wollte, vielleicht aber auch nicht. Katzan schien am Ende und sah ihn jetzt mit seelenlosen Augen an, entrückt und völlig fremd.
»Zuerst dachte ich, dass sie es ernst mit mir meinte«, lallte er. »Sie war schwanger.« Katzan brach jäh ab. Dann war nur noch sein Zähneklappern zu hören.
»Weiter«, schrie François und versuchte ihm mit der Faust einen Schlag auf die Schulter zu versetzen, aber der Schlag ging ins Leere. Die Kälte. Diese elende Kälte. Sie war lähmend, doch je mehr er sich auf die Lippen des Anderen konzentrierte, desto besser konnte er sie besiegen.
»Es war mein Kind.« Katzan schlotterte.
»Dreckskerl!«
François konnte nicht glauben, was er gehört hatte.
»Die Wahrheit!«
»Das ist die Wahrheit, Bruder. Sie hat nur … dich gewollt.«
»Hör auf!«, schrie François und holte zu einem Kinnhaken aus, blieb aber kurz vor seinem Gesicht mit der Faust in der Luft hängen.
»Warum war Claire überhaupt hier? Als ich sie da liegen sah, auf dem Spielplatz unter der Bank, in meiner Jacke …«
François fühlte Hass in sich hochsteigen, der ihn so verrückt machte, dass er nur noch stammeln konnte.
»Ich … ich … du …«
In seinen Ohren war ein Rauschen, als wäre er wieder untergetaucht. Das tosende Geräusch von Blut. Es war wie ein langsames, qualvolles Ertrinken von innen. Aber als er die schwachen Fäuste seines Bruders auf der Brust spürte, seine feuchten Finger, seinen feuchten Atem, seine Worte, schäumte seine Wut von neuem auf.
»Sie wollte nur von der Bildfläche verschwinden … und Zeit vergehen lassen …«, sagte Katzan.
»Mörder!«, keuchte François.
»Ich hab sie … überredet, mit mir nach Wien zu kommen«, stammelte Katzan, richtete sich auf und torkelte ein paar Schritte.
»Du hast sie umgebracht!«, schrie François.
Tief drinnen fühlte er immer noch die alte Komplizenschaft. Es war verstörend, den eigenen Bruder zum Feind zu haben und selbst in der Feindschaft noch Unzertrennlichkeit zu empfinden.
»Ich wollte, dass sie bei mir bleibt«, sagte Katzan, »aber umgebracht hab ich sie nicht.«
Dann schlug er sich die Hände vors Gesicht und kam zurückgetaumelt.
»Ich sagte, komm mit nach Wien, wir ziehen da ein Ding durch, und dann wird er schon sehen. Ich sagte, du wirst ihn vergessen, wenn wir erst mal das Kind haben und das Geld, dann …«
»Vergessen?«
Mit jedem Schritt näher, den Katzan auf ihn zumachte, verblasste der Bruder. Seine Konturen verschwammen, sein insektenhafter Körper, seine stumpfsinnigen Worte, alles an ihm wurde unbedeutend, klein und unfassbar, und der Cafard, den er in ihm in Stunden von Hass und Verzweiflung aufblitzen gesehen hatte, war auf die Größe eines schwarzen Krümels geschrumpft.
Katzan machte die letzen zwei Schritte, die ihn noch von seinem Freund trennten, nach vorn und wankte.
Er schüttelte den Kopf.
»Ich war ein Niemand für sie«, sagte Katzan.
Schnelle Schritte näherten sich.
Katzans Zähne fingen wieder an zu klappern; zuerst wollte er weiter reden, dann verzog er das Gesicht, öffnete und schloss stumm die Lippen, brach ab, versuchte es wieder, kam aber nicht weiter. Er schien mit etwas zu ringen, brachte knackende Laute hervor, und noch
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