Die falsche Frau
Schwächling hochkommen. Irgendwie glaubte er ihm. Auge in Auge blinzelten sie sich an und tauschten tödliche Blicke.
»Verräter!«
Dann traf ihn ein Tritt in den Magen, doch François fühlte nichts als Verachtung.
Verachtung für einen, der ihm nicht gewachsen war.
Verachtung für einen Widersacher, der es nicht mal wert war, durch seine Hand zu sterben.
Aber das Gefühl hielt nicht an, selbst die Wut, die er auf sich hatte, war erloschen.
Innerlich leer ließ François zu, dass der Andere wortlos seinen Arm packte, den Ellenbogen überdehnte und ihn dann in den Schwitzkasten nahm. Nah an den Körper des Anderen gepresst, roch er den Schweiß seines Bruders.
»Bastard!«
François fing an zu husten und brüllte so lange wirres Zeug, bis ihm schwarz vor Augen wurde.
Katzan verstärkte den Druck auf seiner Kehle.
François würgte. Speichel tropfte ihm aufs Kinn. Sein Kopf wurde hochgezogen, François klemmte in der Armbeuge des Anderen fest und ließ sich mitschleifen wie ein Stück Vieh.
In seinem Kopf Erinnerungen vom Aufbruch. Katzan auf einem Koffer sitzend, Wien Westbahnhof. Katzan bei den Bodenübungen, alle Viere im Sand. Katzan auf der Pritsche neben ihm, lachend, schlafend.
»Weißt du noch?«
Keine Antwort.
Wieder oben beim Wagen, drückte ihn Katzan mit dem Gesicht in die kalte Erde.
Es war beschämend. Er war ein Opfer, das sich jämmerlich fügte.
François bekam keinen Ton raus. Die Wahrheit über Claire, dachte er immer noch, aber Katzans Stiefel hob sich, und ein harter Tritt in den Rücken folgte, der ihn vorübergehend lähmte.
Danach hatte er einen Revolverlauf am Hinterkopf.
»Keine Bewegung«, schrie Katzan und zog ihm das Metall über den Schädel.
François verlor das Bewusstsein, registrierte noch, wie er umgedreht und weggetragen wurde. Dann knallten Türen. Man hatte ihn in den Kofferraum geworfen. Er saß in der Falle und hörte Katzan laut reden.
»Ich brauch einen anderen Wagen. Hör doch, ich steck hier fest … am besten deinen eigenen … Wieso Betrug? … Was? … Ich kann dir alles erklären … Oder willst du auf deinen Anteil verzichten? Nein, das Geld ist hier ganz in der Nähe.«
Dann gab er die Stelle durch, an der sie sich befanden.
»Wasserwiesenweg!«
Mit wem hatte Katzan telefoniert? Wer war sein Komplize? Anscheinend machten sie gemeinsame Sache.
Langsam dämmerte es ihm. Die Sache mit der Waffe, als sie vom Schiff zur Baracke fuhren. Die Explosion. Die Verhaftung. Die ganze Zeit hatte er sein Leben riskiert und diesem Arschloch da vorne blind aus der Hand gefressen. Das Ganze war eine Intrige, aber das Entsetzen lag immer noch wie Blei auf seinem Bewusstsein.
François reckte seine Nase allen Ritzen entgegen, aus denen auch nur der geringste Luftzug kam, trotzdem wurde ihm schummerig. Der Sauerstoffmangel. Die Müdigkeit. Er beschloss, sich ruhig zu halten und so wenig wie möglich zu atmen.
Dann hörte François, wie sich ein Wagen näherte. Dem Geräusch nach zu urteilen musste es sich um einen alten Porsche handeln. Das Auto stoppte, er hörte, wie die Handbremse angezogen wurde und wie der Motor ausging. Die Wagentür knallte. Jemand stieg aus. Schritte kamen näher, andere entfernten sich. Katzans Fistelstimme. Aber da war noch eine zweite, tiefere Stimme, die er weder verstehen noch identifizieren konnte.
»Los, wir müssen die Karre hier aus dem Dreck ziehen«, hörte er Katzan sagen. »Fass an.«
François hörte ein dumpfes Klatschen, vier Hände auf der Haube, die anschoben. Der Wagen kam nach ein paarmal Ruckeln in Bewegung und rollte den Hang hinunter.
»Die Autoschlüssel«, sagte Katzan. »Deine Autoschlüssel! Wir tauschen die Wagen. Du nimmst den Volvo.«
Der andere murmelte. Was, war nicht zu verstehen.
»Fahr mir hinterher«, hörte er Katzan von weit weg brüllen. »Das Geld ist bei Berger. Fischrestaurant Berger!«
François bemerkte, wie der Wagen wieder anfuhr, und rätselte, wer wohl am Steuer saß.
Francos zählte Stopps und Abbiegungen und versuchte sich die Route zu merken. Irgendwann verlor er die Orientierung und dämmerte nur noch vor sich hin.
Ein paarmal hörte er den Fahrer fluchen. Ob er Katzan verloren hatte? Dann war es lange still. Sie fuhren immer geradeaus. François zählte die Sekunden. Versuchte die Minuten zu berechnen, die seit der Abfahrt vergangen waren. Vielleicht sieben oder zehn Minuten mochten sie so gefahren sein. Endlich verlangsamte der Wagen sein Tempo und blieb nach einer scharfen
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