Die falsche Frau
Linkskurve stehen.
Die Autotür ging auf. Langsame Schritte. Der Fahrer ging um den Volvo herum.
Getuschel.
»Nein, warte hier«, sagte Katzan, jetzt laut und deutlich.
Schweigen.
»Ich sagte warte!«
Sobald Katzans Schritte verhallt waren, trommelte François von innen gegen die Haube.
»Dreckskerl, lass mich raus!«
Ein Schlüssel drehte sich im Schloss um. Der Kofferraum wurde aufgerissen.
François sah in die erstaunte Visage von Leo Schmidt. Das war doch der Typ, der ihn festgenommen hatte.
François ließ blitzartig das rechte Bein vorschnellen. Von einem Tritt seiner Schuhkante getroffen, taumelte Schmidt zurück und fiel zu Boden.
François kletterte aus dem Kofferraum.
Jetzt fühlte er die Gewalt, die er totgeschwiegen hatte. Sie ergriff ihn so grausam, dass er Schmidt auf der Stelle töten wollte. Er sah auf den Mann, auf sein faltiges Gesicht und den verkniffenen Zug um den Mund. Gerade, als sich Schmidt wieder aufrichten wollte, traf er ihn mit einem zweiten Tritt durch die Kante seiner linken Sohle genau zwischen die Rippen. Der Tritt hatte gesessen.
»Wo ist das Schwein?«, brüllte François. »Ihr Bullen seid doch alle gleich. Kleines Nebengeschäft, was?«
Jetzt erst realisierte er, wo er war. Fischrestaurant Berger.
François nahm die Waffe, beugte sich zu ihm runter und zielte mit dem Lauf direkt auf seinen Kehlkopf.
»Hör zu«, sagte er, »ich wollte Katzan zur Rede stellen.«
Der Bulle reagierte nicht.
François setzte wieder von neuem an.
»Katzan und ich kennen uns seit mehr als zwanzig Jahren«, erklärte François.
»Wir sind …«
Schmidts Blick bohrte Löcher in die Luft.
» Wir sind … der hat … hat alle gelinkt. Mich, die Mafia und die Polizei.«
Schweigen.
Dann hielt er ihm den Lauf seines Revolvers so tiefes ging in die Ohrmuschel.
»Kapierst du das endlich?«
Schmidt zitterte.
François nahm die Waffe weg.
»Ich arbeite weder für ORTIS noch für sonst wen«, sagte François, »das hat Katzan nur behauptetet.«
Schmidt sah ihn unverschämt an. Als würde er ihm nicht glauben.
»Ist ‘ne alte Sache zwischen uns.«
Schweigen.
»Glotz nicht so!«, brüllte François. »Katzan hat mir erzählt, dass ich nach dem Deal am Mexikoplatz offiziell als V-Mann bei euch anheuern kann und ihr mich nur pro forma festnehmt, um an Dimitri ranzukommen. Ein fingiertes Geschäft, alles mit euch abgemacht.«
»Nette Geschichte«, sagte Schmidt keuchend, aber François ließ nicht locker.
»Ihr habt mit Marian zusammengearbeitet, und Katzan hat inzwischen ein doppeltes Spiel gespielt. ORTIS, dachte er, wäre auf ihrer Seite, Marian dachte dasselbe, und dann hat er das Kartell und die Mafia reingelegt.«
Schmidt warf ihm einen irritierten Blick zu.
»Dass ihr Bullen euch so verarschen lasst? Das ist der größte Beschiss aller Zeiten!«
»Schwachsinn«, sagte Schmidt.
François hatte Schmidt am Revers seiner Jacke gepackt.
»Dimitri kannte mich nicht, das habt ihr doch zu Protokoll genommen. Er war sicher, dass ich nicht zu ORTIS gehöre. Und? Wie viel, sag schon? Wie viel wollte Marian für den Mann zahlen?«
»Klappe!«, fluchte Schmidt.
»Die Mafia zahlt nicht für Nieten, und Katzan wird dir keinen Cent geben! Das ist eine Finte, Mann!«
Dann ließ er Schmidt los.
Wieder Schweigen.
Nicht mal ein Atemzug.
Plötzlich kam Katzan aus dem Fischrestaurant gerannt, riss die Wagentür vom Porsche auf und startete den Motor.
»Das Geld«, rief Schmidt. »Wo ist das Geld? Scheiße!«
Als er Katzan weglaufen sah, hatte er endlich kapiert.
Schmidt setzte sich ans Steuer. Er folgte Katzan auf den Handelskai und bog wie er in die Dammhaufengasse ein. Die Straße war schlecht ausgebaut. In den letzten Tagen war Hochwasser, die Donau über die Ufer getreten, und sie mussten damit rechnen, entweder im Schlamm oder im Schneematsch zu versinken.
»Katzan hatte schon seit Monaten Kontakte zur ORTIS-Führung und wollte nicht nur für die Franzosen, sondern auch für uns arbeiten«, sagte Schmidt. »Ich wusste, dass er hundert Prozent zuverlässig war.«
»Red nicht«, sagte François. »Pass lieber auf, dass du das Schwein nicht aus den Augen verlierst.«
Dort, wo die Gasse immer enger und holpriger wurde, hatten sich Rinnsale gebildet, die sich ein paar Meter weiter zu Riesenpfützen ausweiteten, und kurz vor der Hafenzufahrtstraße musste der Wagen durch vollgelaufene Schlaglöcher fahren. Ab da war Schmidt nur noch am Fluchen. Gerade wollte er anhalten, da drückte
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