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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Mackowski
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sein Strahl drang bis in seine Zelle.
    »Eine Minute noch«, brummte der Wärter.
    »Eine Minuten noch«, wiederholte François pampig, hörte, wie Vera den Wagen anließ und dann das Tuckern der Scheibenwischer.
    »War’s das?«
    Der Wärter hatte ihm das Handy aus der Hand gerissen.
    Na warte, dachte François, krümmte sich, gab ein röchelndes Lachen von sich und verzog das Gesicht zu einer irren Grimasse. Mit zitternden Händen umfasste er seinen Brustkorb. Er tastete die Visitenkarte von Dr. Rosen. Dann schob er sein Hemd so weit hoch, dass die Spitze der Karte herauslugte und nach weiterem Krümmen von selbst zu Boden fiel.
    Mach schon, dachte François. Heb sie auf!
    Er zuckte wie ein angeschossenes Tier, sackte ächzend in die Knie. »Luft«, flüsterte er. »Ich krieg keine Luft.«
    Der Wärter, der ihn halten wollte, war zu langsam und wollte noch verhindern, dass seine Stirn gegen die Wand schlug. Vergeblich.
    François ging in die Hocke und bildete sich ein, dass er Krämpfe hätte, dass die Schmerzen in seiner Magengegend, die er sich nicht mal einreden musste, unerträglich würden. Die Hände in seinen Bauch gestemmt, schnappte er wieder nach Luft und kratzte mit den Fingernägeln an der Wand entlang, um sich danach in einer dramatischer Pose wieder aufzurichten.
    Kaum auf den Beinen, ließ er sich erneut zu Boden fallen.
    Perfekt.
    Er fror. Das Zittern vor Kälte, das ihm jetzt zugute kam, machte es ihm leicht, den Tremor seiner Muskeln noch zu verstärken. Er zuckte, krampfte und mimte den Anfall eines Epileptikers.
    Der Alte stöhnte auf vor Entsetzen.
    Mit letzter Kraft bettelte François nach einem Arzt. Den Speichel den er gesammelt hatte, spülte er so lange im Mund durch, bis sich Schaum bildete. Dann ließ er den Saft seitlich rauslaufen.
    Der Wärter hielt die Visitenkarte in der Hand und tippte wie wild auf sein Handy ein.
    »Dr. Rosen? Untersuchungsgefängnis Josefstadt. Wir haben hier einen Mann namens François Satek.«
    Irgendwann stand der Gefängnisarzt in seiner Zelle und schoss ihm etwas in die Vene. Sie wird kommen, dachte er. Sie muss kommen. Als die Tür endlich ins Schloss fiel, war François erschöpft genug, um in einen tiefen Schlaf zu sinken.

15
    E S WAR ENG IN DER L OOS -B AR , selbst hinter dem Tresen.
    Eine spärlich beleuchtete Jonglierfläche, die sich zwei dunkelhäutige Männer in weißen Hemden mit schwarzen Fliegen teilten. Der Jüngere von ihnen schüttete eine ganze Portion Southern Comfort daneben, als Sarah Rosen ihren letzten Drink bestellte.
    »Was ist?«, fragte sie beschwipst.
    Sie deutete mit wackeligem Zeigefinger auf den anderen, der einen Arm voll Cocktailgläser in Richtung Spüle balancieren wollte und dabei so ins Wanken geraten war, dass er den Kollegen angerempelt hatte.
    »Wie charmant«, sagte er und schenkte lächelnd ein neues Glas ein. Es knisterte. Es kam von der Flüssigkeit. Von warm auf kalt.
    »Sie mögen doch Eis?«, fragte er.
    »Zu spät«, sagte Sarah unwirsch, drehte sich um und ging in Schlangenlinien an ihren Tisch zurück. Sie war mit Georg in der Oper gewesen, gerade noch rechtzeitig zur Ouvertüre, und hatte noch Verszeilen, Fetzen von Tonfolgen im Sinn, die sich mit den Ereignissen der letzten Tage mischten.
    Was für ein Wahn!, hatte die Sopranistin gesungen. Und die Musik war eingängig darüber hinweggegangen.
    Patrizia Heral, frenetisch gefeierter Premierenstar dieses Abends, begann sie allmählich zu schwächen. Sollte Sarah noch mal die Patientenakte durcharbeiten? Die Familiengeschichte neu aufrollen, jedes Detail analysieren?
    Vielleicht war alles nur Spiel, Teil einer Inszenierung? Wie leicht war es anzunehmen, jemand sei irre, selbst wenn er nur irre spielte.
    Ein Mord. Ein Geständnis. Und diese Gefühle, denen sie nicht gewachsen war. Eigentlich war es ein Fehler, diese Aufführung zu besuchen.
    Sarah stöhnte, nahm einen Eiswürfel in den Mund und schob ihn von einer Backe in die andere. Warum war sie nicht Anwältin geworden? Oder einfach Ärztin, so wie ihr Vater es sich immer gewünscht hatte. Praktische Ärztin mit eigener Praxis. Da wäre vieles einfacher gewesen. Ab und zu musste man es mit ganz normalem Menschenverstand versuchen, dachte sie. Sicher würde Patrizia zur nächsten Stunde erscheinen, als wäre nichts geschehen.
    War es möglich, dass Patrizia jemanden decken wollte? Und wenn ja, um Himmels willen, wen?
    Vielleicht hatte sie ihr etwas verschwiegen?
    Sarah Rosen atmete tief durch.
    Vor ein paar

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