Die falsche Frau
Wange.
»Keine Sorge, meine Leute machen ihre Arbeit«, sagte der Mann. »Wo ist der Stoff?«
François begriff, dass seine Lage aussichtslos war. Der Mann hielt ihn für einen Dealer. Die Polizei wusste nichts von ihm. Warum?
»Los, her mit dem Stoff!«, sagte der Mann.
François leerte seine Taschen.
»Verdammter Dreckskerl!«
»Nein, Leo Schmidt, Drogendezernat«, antwortete der Mann und zückte lässig sein Mobiltelefon. Der Name Bruno Karlich fiel. Uhrzeiten. Zahlen.
»Sind Sie Katzans Kontaktmann?«
Keine Antwort. Wieso wusste der Bulle nichts?
»Scheiße, hat Katzan Ihnen nicht gesagt, wer ich bin? Was ist denn los, Mann? Ich dachte, wir machen gemeinsame Sache? So funktioniert das nicht.«
»Sehr originell«, sagte Schmidt. »Das können Sie gleich alles bei Ihrer Vernehmung erzählen. Kommen Sie mit!«
Sie gingen die Donau entlang. Über ihnen dumpfes Vibrieren einer Brücke. François zählte die Fahrzeuge, die über ihm vorbeizogen. Er beschloss zu schweigen. Schmidt würde ihm jedes Wort im Mund umdrehen.
François sah auf das Wasser. Während sie die letzten Meter bis zum Streifenwagen gingen, dachte er darüber nach, wie es wäre, eine Prügelei anzufangen. Von wegen fingierter Deal.
Ein Auto mit Blaulicht fuhr vor. Zwei Männer stiegen aus. Der kleinere von ihnen hatte ein Allerweltsgesicht, war aber in der Nebelsuppe nur undeutlich zu sehen.
»Ein Kilo Heroin«, sagte Leo Schmidt, »und den hier.«
»Dasselbe Gesicht wie auf dem Phantombild«, sagte der Kleine.
»Karlich, Mordkommission, und das ist mein Kollege Semir Aydin. Wir untersuchen den Tod von Irene Orlinger. Wir müssen Sie bitten, mit ins Präsidium zu kommen.«
François verstand nicht. Sein Kopf versank in einem ekelhaften Matsch wirrer Gedanken.
Irene war tot, tot, tot …
»Irene«, schrie er. »Welches verdammte Schwein war das?«
»Das würden wir auch gern wissen«, sagte Karlich. »Sie waren der letzte, mit dem sie lebend gesehen wurde.«
Er hätte den Bullen mit ein oder zwei gezielten Tritten ins Jenseits befördern können, aber alle Bewegungsabläufe, die sein Hirn gespeichert hatte für Situationen wie diese, waren vom Schock wie aufgehoben. Er war unschuldig, das wusste er. Jemand wollte ihn belasten, das wusste er auch. Aber wer?
Machte die Polizei etwa gemeinsame Sache mit der Mafia. War das die Wahrheit? Hatten sie ihn und Katzan etwa gelinkt?
»Sie haben einen Fehler gemacht«, sagte François. »Einen ganz massiven Fehler sogar! Wo ist mein Freund?«
Statt einer Antwort bugsierte der Kommissar ihn auf den Rücksitz des Streifenwagens.
14
Es STANK NACH E RBROCHENEM , Kot und kaltem Entzug.
Männer winselten, manche riefen nach Stoff. Genaues verstand er nicht.
Sie hatten ihn in die Josefstadt gebracht. U-Haft, und François wusste, was das hieß.
Eine halbe Stunde nach seiner Einlieferung brüllte ihn ein Beamter an: »Bücken, Arschbacken auseinander.«
François gehorchte. Es war zwecklos, Widerstand zu leisten. Danach Fingerabdrücke. Fotografieren mit Nummer. Gürtel und Schnürsenkel abgeben.
»Hast du Flöhe?«, fragte ein anderes Stinktier, als sie wenig später in der Zelle waren. Er warf François eine schmutzige Lumpendecke an den Kopf.
Schweigen.
»Also, hast du welche oder nicht, sonst muss ich ‘n Schild anbringen.«
»Bis jetzt nicht«, sagte François und ließ die nach Furz und Schweiß stinkende Decke auf den Boden fallen. Dann schleuderte er sie mit dem Fuß an die Wand.
Al Brown, stand dort. Darunter kleingeschrieben: Panama, das Land der geschmeidigsten Kämpfer.
Al Brown, 21 Jahre, groß, schmal und schwarz, Weltmeister im Bantamgewicht, dachte François und fuhr mit dem Finger andächtig über die Vertiefung in der Mauer.
Die Wand war feucht. Dann nahm er den Finger wieder weg, aber die Feuchtigkeit begann sich über jeden Zentimeter seiner Haut zu legen. Eine Krötenwanderung der Kälte, die wild zu jucken begann.
François schlug mit den Fäusten ins Leere.
Er fragte sich, wie viel Zeit ihm wohl bleiben würde, um seinem Gegner auf die Spur zu kommen, und ob sich die Kraft, die er verloren hatte, wieder einstellen würde, falls er ihn je zu fassen bekäme. Er musste raus, so schnell wie möglich fliehen.
Den Blick auf das Guckloch in der Tür gerichtet, fantasierte er den jungen Mann herbei, der ihm vor dem Hotel Orient und später in der Baracke begegnet war. Sein nächster Schlag zielte gegen das Panzerglas.
»Durst!«
Er musste diesen Mann
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