Die falsche Frau
Stärke. Manchmal kam er ins Stocken.
»Sie waren also der letzte Freier von Irene Orlinger?«
Was ging den Bullen sein Privatleben an? François trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte.
»Die Frau war … umsonst«, sagte er. »Die wollte kein Geld. Sie war …«
Der Typ runzelte die Stirn. »Aha«, sagte er. »Das fängt ja gut an. Hübsche Geschichte, Herr Satek!«
François brachte sämtliche Fingerknochen zum Knacken. Dann sah er zu Rosen rüber. Die Ringe um ihre müden Augen schienen zu tanzen, aber die Erschöpfung machte sie noch begehrenswerter. Daran konnte er sich eine Weile lang festhalten.
»Sie wollte mit dem Anschaffen aufhören. Die brauchte kein Geld.«
»Was heißt das?«, fragte Karlich dazwischen.
»Sie sagte nur, dass sie noch Kohle bekommt. Sehr viel Kohle. Mehr weiß ich nicht.«
François verschränkte seine Hände hinter dem Kopf.
»Von wem denn?«, fragte Schmidt. »Wissen Sie das zufällig?«
»Zufällig ja«, sagte François.
Es war deprimierend, diesen Visagen Erklärungen abgeben zu müssen, die er sich nicht mal selbst geben konnte.
»Ich glaube von ihrem Vater«, sagte er. »Wohl ‘n schwerreicher Typ.«
Sarah Rosen atmete hörbar ein. »Irene Orlinger war eigentlich BWL-Studentin.«
Bruno Karlich warf ihr einen strafenden Blick zu. Wahrscheinlich hätte sie das nicht sagen sollen.
François betrachtete ihre Hand, die weiß und fahl einen Meter von ihm entfernt lag. Wie abgetrennt. Mexiko-City, wenigstens London, vielleicht sogar Frankreich. Auf keinen Fall Paris, dachte er und hätte sie jetzt am liebsten entführt. Ihr schönes Gesicht, ihr Haar, das weich auf die Schultern fiel. Zum ersten Mal in seinem Leben registrierte er, dass er immer auf denselben Typ Frau abfuhr. Blond, hellhäutig, schlank, groß. Wahrscheinlich funktionierte er wie ein Pawlowscher Hund. Einmal auf bestimmte Reize konditioniert, fing er immer wieder Feuer und entzündete sich an Frauen wie Irene oder Sarah, Frauen, die vorübergehend Gleichgewicht in sein Schaukelleben brachten.
»Sarah«!
Der kleine Bulle, dieser Karlich, war wütend geworden.
François driftete weg. Er verstand nicht, er verstand gar nichts.
Am liebsten hätte er sich unter ihr Kleid geflüchtet. Unter Sarahs Haut.
»Das gehört doch nicht hierher«, hörte er einen der Polizisten sagen.
Nein, das gehörte nicht hierher.
Dann wieder stellte er sich vor, wie Sarah und er durch die Luft schwebten, ihre Körper genau parallel übereinander, er oben, sie unten, dazwischen zwei Handbreit Abstand. Jemand hielt sie an einer Schnur fest und sah zu, wie er die Hand nach ihr ausstreckte und dann nur ihren Kopf berührte, unterhalb, nur um ihn zu stützen, ganz leicht.
»Sehen Sie sich das an«, sagte Schmidt und warf Dias an die Wand.
Irene Orlingers violetter Mund in Großaufnahme.
»Herr Satek, Sie wurden zuletzt mit Frau Orlinger gesehen«, sagte Schmidt, der so redete, als ob er ihn für dämlich hielt.
Der Projektor klackte. Das nächste Dia.
Er zeigte einen Mann.
»Dimitri Kovac«, sagte François. »Dieses Schwein! Der hat Irene bedroht. Ist derselbe, der mir das Heroin verkaufen sollte.«
Semir Aydin nickte. François fühlte, dass er auf seiner Seite war.
Kein Kommentar.
»Wie war das, Herr Satek?«, fuhr Schmidt fort. »Sie haben behauptet, im Auftrag der Polizei gehandelt zu haben?«
François hatte einen Kloß in der Kehle. Allein beim Anblick dieses Bullen, der vor Arroganz nur so strotzte, fühlte er sich in die Enge getrieben.
»Bien sur! Katzan hat mich angeheuert. Er hat mir gesagt, dass ich Aussichten auf einen Job als V-Mann hätte.«
François strich sich mit der Hand über sein frisch gebügeltes Hemd und kam sich dabei völlig daneben vor.
Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
»Verdammt, ich hab keine Ahnung, wieso Sie von mir nichts wussten. Katzan muss doch von mir gesprochen haben.«
Dann sah er sich hilfesuchend um. Semir machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Schmidt redete weiter.
»Katzan hat mir erklärt, dass Sie ein wichtiger Mann für ORTIS sind und dass Sie seit Jahren mit denen zusammenarbeiten.«
François schüttelte den Kopf.
»Nein!«
»Und dass ORTIS in letzter Zeit Absatzschwierigkeiten mit dem Stoff hatte wegen der Mafia«, sagte Schmidt.
»Glaub ich nicht«, sagte François und stand plötzlich auf. »Das ist gelogen. Sie lügen!«
»Setzen«, sagte Leo Schmidt kühl. »Passen Sie auf, was Sie sagen.«
François ließ sich resigniert
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