Die falsche Frau
kratzte.
Ein letzter Blick in den Spiegel.
Beim Verlassen der Wohnung dachte François daran, bei Vera zu läuten, blieb aber nur auf dem Gang stehen und horchte. Danke sagen, das wäre das Mindeste. Sie hatte immerhin diesen Dimitri hinter Schloss und Riegel gebracht, aber irgendwas hielt ihn davon ab.
Pünktlich um acht stand François in der Taxizentrale. Er sollte sich einen Wagen holen. Seinen ersten Dienst antreten, später, nach seiner Vernehmung.
Eine mürrische Braut, die für die Dienstpläne zuständig war, lächelte ihm zu und wollte nicht gleich die Schlüssel rausrücken.
»Hallo! Wie geht’s denn so?«, fragte sie und hielt ihn hin.
»Bestens«, sagte er und dachte, dass sie Pferdezähne hätte und dringend eine Zahnspange bräuchte.
»War’s schlimm?«
François schüttelte den Kopf.
Die wollte reden. Wahrscheinlich weil er jetzt prominent war. Wegen der Wiener Presse. Weil seine Verbrechervisage nach der Freilassung wohl Züge eines Gutmenschen angenommen hatte. Aber die Tussi war egal. Sie gab sich mit einer Kurzversion über seine Verhaftung zufrieden und schob endlich die Wagenschlüssel rüber.
»Willst du ‘n Kaffee?«, fragte sie.
François nickte, hatte aber plötzlich mehr Lust auf Steak mit Fritten.
Die Frau ging rüber zum Getränkeautomaten und zog ihm einen Espresso.
»Ist nett von dir. Danke«, sagte er und nahm ihr den Becher ab.
Heute war Stichtag. Die Chance. Er würde eine umfassende Beichte ablegen, dachte er, alles sagen, was er wusste, und die Polizei wäre total überzeugt.
»Also, bis dann«, sagte er zu der Frau, die ihn so nett bedient hatte und ging.
Draußen roch es nach Schneematsch. Einen Atemzug lang hatte François das Gefühl, frei zu sein. Trotzdem kurvte er wie ein Sonntagsfahrer durch die Stadt und stieg vor Nervosität unmotiviert auf die Bremse, und als er endlich einen Parkplatz in der Nähe des Präsidiums gefunden hatte, war ihm, als müsse er kotzen. Er dachte an Sarah Rosen, stieß auf, würgte den sauren Magensaft runter und fragte sich, ob sie wohl dabei sein würde. Die Frau war Zufall. Aber dieser Zufall hatte sich als günstig erwiesen, und fast schon hatte er sich daran gewöhnt, Sarah immer dann, wenn es schwierig wurde, an seiner Seite zu wissen.
An der Pforte löcherte ihn ein unfreundlicher Beamter. Er sah eine Liste durch, nahm seine Vorladung entgegen und telefonierte ein paarmal.
»Bitte!«, sagte der Mann endlich. »Dort drüben, den Gang entlang und dann rechts.«
François lief sofort los. Er riss die Tür zum Verhandlungsraum so ruckartig auf, dass sie gegen die Wand stieß und von oben bis unten vibrierte.
»Morgen!«
Der Raum war dunkel bis auf den Strahl eines Projektors. Gerade genug Licht, um einigermaßen zu sehen. Drei Männer saßen an einem langgezogenen Konferenztisch und zuckten vor Schreck zusammen. Der eine war dunkelhaarig, stand auf und bot ihm einen Platz an. Als François ihm seine Hand entgegenstreckte, stellte er sich mit einem türkisch klingenden Namen vor.
»Semir Aydin.«
Der Mann kam ihm bekannt vor, wahrscheinlich war er ihm am Anleger, unterhalb vom Mexikoplatz, begegnet. Ja, das war der Bulle, der ihn abgeführt hatte. Der andere, an den er sich genauer erinnern konnte wegen dieser Glatze, musste Karlich sein. Dann kam Leo Schmidt auf ihn zu. Der Typ, der ihm die Handschellen angelegt hatte. Der sah aus, als würde er die Sekundenzeiger seiner Uhr bewachen.
Korinthenkacker, dachte François, setzte sich und hängte seine Jacke über die Stuhllehne.
»Bitte«, sagte Schmidt ohne aufzusehen.
Dr. Sarah Rosen war auch da. Sie saß allein am anderen Tischende und kramte in ihrer Handtasche. François hätte sich am liebsten neben sie gesetzt, blieb jedoch aus Angst, Aufmerksamkeit zu erregen, lieber da, wo er war. Sie sah kühl aus in ihrem eisblauen Kleid. Aber der schmeichelnde Stoff, der ihn an das Fell einer Angorakatze erinnerte, zeichnete ihre Figur so deutlich ab, dass es ihm leicht fiel, sie sich nackt vorzustellen.
Karlich hatte inzwischen die Sitzung eröffnet und leierte die Personalien runter. Seine Augen machten die Runde.
»Herr Satek«, sagte er, ohne François anzusehen. »Wie kam es zum Geschlechtsverkehr mit Irene Orlinger? Wir haben eine Spermaprobe entnommen, die mir Ihrer DNA übereinstimmt.«
» Geschlechtsverkehr?«
François hatte Lust auf eine obszöne Antwort, riss sich aber zusammen und erzählte so gut er konnte von der Begegnung mit Irene. Reden war nicht seine
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