Die falsche Frau
zurück auf die Wache.
Semir fand seinen Chef vor dem Computer. Als er klopfte, drehte er sich um und sah ihn über den Rand seiner Brille an. »Haben Sie eine Minute Zeit?«, fragte Semir.
»So viel Sie wollen.«
Er winkte Semir heran und zog einen Stuhl neben seinen.
»Schöne Bescherung. Hab schon gehört.«
»Dieser Kovac ist uns jetzt zum zweiten Mal durch die Lappen gegangen.«
»Wir haben nichts«, sagte Semir. »Absolut nichts.«
Karlich putzte sich die Nase. Er hatte glänzende Augen und sah aus, als ob er Grippe hätte. Immer diese Vorsicht, dachte Semir.
»Warten wir ab, was Schmidt noch auf Lager hat«, sagte Karlich prompt.
Das hatte er kommen sehen. Abwarten, wozu abwarten?
»Ausgerechnet Schmidt?«, fragte Semir.
»Ja, sicher. Wir müssen tiefer bohren und sehen, was Rosen dazu einfällt. Der Täter hat eine Spur von Zeichen gelegt, die sie am besten deuten kann. Die Schminke, das Parfüm, die Rose, womöglich auch noch das aufgeschlitzte Wäschestück. Fehlt nur noch, dass er die Tat gefilmt oder fotografiert hat. Wahrscheinlich ein Sexualdelikt. Ist nichts Ungewöhnliches. Aber irgendwann verblasst die Erinnerung. Der Täter gerät unter Druck und verrät sich.«
»Ich sag Ihnen was, Chef.« Semir konnte sich nicht länger zurückhalten. »Da ist was faul mit Schmidt. Als ich neulich mit dem Phantombild zu ihm gegangen bin, konnte er mich nicht schnell genug loswerden. Ich hab gesehen, wie er Sateks Decknamen, Charles Lecour, in VICLAS eingegeben hat. Er wusste, dass der Mann auf dem Phantombild nur François Satek sein konnte. Der muss die Sache mit Kovac abgekartet haben. Die Explosion am Mexikoplatz, seine Flucht, da sind einfach zu viele Fehler passiert. Und noch was.«
Karlich zog zweifelnd die Augenbrauen zusammen.
»Wie kommt dieser Kovac in einem Gefängnis an eine Waffe?«
»Sie glauben, dass …« Karlich konnte nicht weiter.
»Genau das glaube ich. Schmidt hat die Waffe reingeschmuggelt. Allerdings waren noch andere Leute bei Kovac. Eine Frau namens Nadja, angeblich seine Freundin, und ein Typ, der sich für seinen Bruder ausgegeben hat. Die mussten aber im Gegensatz zu Schmidt durch den Metalldetektor! Wenn Sie mich fragen, ist Schmidt verantwortlich.«
»Wie kommen Sie darauf?«
Karlich war gereizt.
»Kann doch sein, dass ihn die Typen unter Druck gesetzt haben. Dieser Katzan zum Beispiel, dem er mehr glaubt als Satek. Ich schlage vor, dass wir ihn eine Weile intern beobachten lassen. Seine Akte studieren, das Telefon abhören lassen und die Kontobewegungen überprüfen.«
Karlich zögerte und strich sich ein paarmal über das Kinn.
»Selbst wenn Schmidt in der Sache steckt, ist es zu diesem Zeitpunkt völlig ausgeschlossen, seine Finanzen prüfen zu lassen. Wie stellen Sie sich das vor? Dafür braucht man Beschlüsse, Staatsanwalt, Richter.«
»Und das Telefon abhören?«, fragte Semir.
»Das geht«, sagte Karlich zögerlich. »Leo und die Mafia«, murmelte er kopfschüttelnd. »Wir müssen schnell machen.«
27
A LS S ARAH in ihren weißen Morgenmantel schlüpfte und leise am Sofa vorbeischlich, dachte sie, dass er längst über alle Berge sei. Von wegen er würde sich um sie kümmern. Die warme Mulde, die sein Körper hinterlassen hatte, sagte ihr, dass er noch nicht lange verschwunden sein konnte.
Doch plötzlich vermisste sie nicht François, sondern Georg und das Summen irgendeiner Melodie, das Kratzen seines angespitzten Bleistiftes, den Schein seiner Leselampe.
Traurig trottete Sarah in die Küche, ließ Espresso durch die Maschine laufen und fragte sich, wieso Georg ihr gegenüber nie feindselig oder wütend geworden war. Hatte er nicht bemerkt, dass sie sich von ihm entfernte, oder war es ihm am Ende sogar recht, weil er selbst einer heimlichen Leidenschaft nachging?
Sarah setzte sich an den Tisch und schlug die Zeitung auf. Die Tür zum Bad knarrte.
Etwas fiel zu Boden.
Sarah stand auf und ging auf Zehenspitzen in Richtung Bad. Eine Hitzewelle überkam sie.
Er war also doch noch da. Das hat mir gerade noch gefehlt, dachte sie, schlich wieder zurück in die Küche und nahm sich ein Mineralwasser aus dem Kühlschrank, das sie sich an die Wange hielt.
Sie wusste, dass sie mit François einen schwierigen Kurs steuerte, aber vielleicht könnte er ihr irgendwann nützlich sein. Sie würde ihn natürlich bezahlen, ihm ein paar Grundbegriffe der Psychologie beibringen und fantasierte, wie sie mit François zusammenarbeiten würde. Dass sie mit ihm an
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