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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Mackowski
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neben François zu gehen war, als würde die Zeit stehen bleiben. Was für eine Rolle spielte es, wohin sie gingen, was sie kauften, aßen, redeten? Wenn sie nur weitergingen. Wenn nur er an ihrer Seite bliebe, er mit ihr Schritt hielt und sie mit ihm.
    Plötzlich spürte sie seine warme große Hand in ihrer Manteltasche. Sarah lief mit geschlossenen Augen weiter und ließ sich von ihm wie eine Blinde führen. Sie roch, was er roch. Schmeckte, was er schmeckte.
    »Augen zu und Mund auf«, sagte er.
    Diesen Film hatte sie nie gemocht, und doch spielte sie mit. Er legte ihr Salbei auf die Zunge, ein anderes Mal ein Stück Mango. Später getrocknete Berberitzen, zum Schluss nur seinen Zeigefinger, doch am Ende, noch bevor sie daran lutschten konnte, ließ er sie ins Leere greifen.
    »François!«, rief sie.
    Nach einigen Sekunden, in denen sie ihn verloren glaubte, sah sie ihn unter einer Markise stehen. Er taxierte sie. Dann kam er wieder näher, bis sie ihn vor lauter Nähe nicht mehr erkennen konnte.
    »Es ist gut, dich ein bisschen hungern zu lassen«, sagte er kalt und zog sie weiter.
    In einem Schaffel ein Stör. Daneben Karpfen, Muscheln, Oktopus, Wolfsbarsch, Forellen, Drachenkopf, Lachs, Goldbrassen.
    Sarah begriff, dass er den Spieß umgedreht hatte.
    »Was redest du daher«, sagte sie und lehnte sich halb bewusstlos vor Angst, ihn noch einmal verlieren zu müssen, an seine Schulter.
    »Mir ist kalt.«
    Er antwortete nicht, wählte zwei riesige, perlmuttschimmernde Goldbrassen aus, die Fischmann Umar mit einem Klatsch in die Waagschale fallen ließ.
    Kurze Zeit später standen sie in Sarahs Küche. François hielt den geputzten Fisch unter fließendes Wasser, beträufelte ihn innen und außen mit Zitronensaft und drückte dann mit flinken Fingern den längs halbierten Knoblauch in den Bauch. Seine Bewegungen waren von großer Geschmeidigkeit, als hätte er Olivenöl in den Knochen.
    »Hervorragend«, sagte sie, aber François streckte nur wortlos die Hand nach einem Salzstreuer aus. Sie reichte ihm das Salz. Er sah sie nicht an, wollte, dass sie Kartoffeln schälte, also schälte sie.
    »Aperitif?«, fragt er, ließ die Kartoffeln, die nach Sarahs Behandlung wie Vielecke aussahen, in den Topf plumpsen und schob ihr schon wieder etwas in den Mund. Diesmal ein Stück Tomate, noch heiß und gerade erst von der Haut gelöst.
    Sarah kaute nicht, schluckte vor Aufregung alles runter.
    »Da drüben im Schrank«, sagte sie und deutete auf eine Vitrine.
    Er kam mit einem Scotch wieder und schenkte zwei Gläser ein. Sie trank zu hastig. Er zu langsam.
    Diese Hitze. In der Wohnung war es warm. Der Backofen, dachte sie und wollte gerade das Fenster öffnen. Er aber packte sie am Handgelenk und hielt sie zurück. Dann zog er langsam seinen Pullover aus. Sein blitzblaues Hemd kam zum Vorschein, danach ein Stück Haut, versteckt unter einem Büschel Haare, die sich auf seiner Brust kräuselten. Sarah rückte näher, um ihre Hand genau auf die Stelle zu legen, die sich ihr gezeigt hatte. Falsch, dachte sie im selben Augenblick, und schon entfernte er ihre Hand, ließ sie stehen und verschwand im Bad. Sie hörte, wie er die Dusche anstellte und ein französisches Lied summte. Er brauchte lange. Viel zu lange. Irgendwann wollte er, dass sie ihm ein Handtuch brachte.
    Vor der Badezimmertür machte sie Halt und stellte sich vor, wie er in der Kabine stand und fröstelnd auf sie wartete. Nackt, provokativ, darauf aus, sie zu erregen. Als sie rein kam, stieg er gerade mit einem Fuß über den Rand der Dusche. Ihre Augen tasteten seinen nackten Körper ab. Sie suchte nach einer Unvollkommenheit, nach ihrem Vorteil. Einer Verletzung.
    Nichts.
    François stand da wie versteinert.
    Sarah nahm ein Handtuch aus dem Regal und war ihm so nahe gekommen, dass sie ihn in ihre ausgestreckten Arme hätte einwickeln können. Er zögerte, schloss die Augen und atmete tief ein. Unerwartet wich er zurück.
    »Du riechst gut«, sagte er plötzlich. »So nach Sommer, so wie … wie …«
    Sie schlang schnell das Handtuch um seine Schultern, sah, dass sie umgeben von einer Pfütze war, die sein tropfender Körper gebildet hatte, und alles, was sie eben noch gefühlt hatte – Neugier, Offenheit, Lust –, war mit einem Mal wie weggeblasen.
    »Wie Irene?«, fragte sie und fühlte seine Hände auf ihrem Rücken, dann auf ihrem Haar.
    Er sah sie an wie Zucker.
    »Warum fragst du?«, erkundigte er sich so zerknirscht, dass es ihr heiß über den Rücken

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