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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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mich
brennend, warum er so eine Heidenangst vor der Polizei hat.«
    Draußen wurde es plötzlich heller, nachdem es schon das ganze
Wochenende und den heutigen Tag über leicht geregnet hatte. Theresa hatte mir
am Vormittag per SMS einen angenehmen Tag gewünscht. Meine Antwort war ähnlich
kurz ausgefallen. Anschließend hatte ich nichts mehr von ihr gehört. Lustlos
diskutierte ich mit Helena Guballa einige Theorien, in welcher Weise Jakoby und
Horstkotte mit Prochnik und von Arnstedt in Zusammenhang zu bringen wären. Aber
es führte zu nichts. Wir wussten einfach zu wenig über die beiden. Und Adrian
Horstkotte schien ja nicht vorzuhaben, mir in irgendeiner Form weiterzuhelfen.
    Â»Haben Sie heute Abend schon etwas vor?«, fragte meine Bürogenossin
irgendwann völlig überraschend.
    Â»Nein«, erwiderte ich. »Eigentlich nicht.«
    Â»Hätten Sie Lust, unser nettes Gespräch von letzter Woche fortzusetzen?«
    Um ein Haar hätte ich erwidert: »Warum nicht?« Stattdessen sagte
ich: »Aber ja. Gerne.«
    Â»Natürlich nur, wenn Sie mögen.«
    Â»Wirklich gerne«, beeilte ich mich zu versichern. »Ich freue mich.«
    Worüber ich mich tatsächlich freute: So konnte ich meinen Töchtern
und weiteren Diskussionen über einen gewissen Ron Henderson aus dem Weg gehen.
Und dann gab es da ja auch noch das Thema Pille …

33
    Um zehn nach sieben schloss ich unser gemeinsames Büro ab,
und wir gingen zusammen denselben Weg wie beim letzten Mal. Ein kräftiger Wind
schüttelte die Bäume durch. Tief hängende Wölkchen sausten über die Stadt nach
Osten. Heute trug Helena Guballa wieder ihren Dufflecoat, und sie war ungewohnt
gesprächig. Sie lobte Heidelberg, den Neckar, die freundlichen Menschen, das immer
wieder aufs Neue beeindruckende Schloss.
    Als wir die Altstadt erreichten, hörten wir in der Ferne Megafonstimmen
und vielstimmiges Geschrei. Streifenwagen mit Blaulicht rauschten an uns
vorbei. Wir vermuteten eine nicht angemeldete Demonstration.
    Â»Fast hätte ich damals hier studiert«, sagte meine Begleiterin, als
wir in die Märzgasse einbogen. »Sie haben mich aber nicht genommen. Meine Noten …« Sie lachte verlegen. »Ich war keine besonders fleißige Schülerin.«
    Â»Wo sind Sie stattdessen gelandet?«
    Â»In Frankfurt. Ich habe mich dort nie wirklich wohlgefühlt.«
    Wir redeten, was man so redet, wenn man sich nichts zu sagen hat.
Ich dachte an Adrian Horstkotte und fragte mich, was er mir wohl so hartnäckig
verschwieg. Inzwischen war ich überzeugt, dass er und Jakoby mit dieser
Terrorgeschichte zu tun hatten.
    Helena Guballa erzählte mir gerade irgendeine Anekdote von
Paderborn, ihrer Geburtsstadt, in der der Bischof eine wichtige Rolle spielte.
Dabei lächelte sie mich manchmal von der Seite an, als gäbe es ein Einverständnis
zwischen uns, das nicht existierte. Inzwischen waren die rhythmischen Sprechchöre
und das nervöse Megafongeplärre der Demonstration deutlich zu hören.
    Eine Weile hatte die Kollegin in einem Städtchen in der Nähe der
belgischen Grenze gelebt, dessen Namen ich noch nie gehört und Sekunden später
schon wieder vergessen hatte. Darüber wusste sie wenig zu berichten, und aus
ihrer plötzlichen Einsilbigkeit schloss ich, dass diese Phase ihres Lebens
vielleicht mit dem Thema »kein Glück mit festen Beziehungen« zu tun hatte.
    Als wir das Essighaus erreichten, kamen einige dunkel gekleidete
Gestalten die Straße heruntergerannt. Alle waren jung und trugen Sportschuhe
und Kapuzen. Augenblicke später waren sie schon um die nächste Ecke
verschwunden. Unseren Tisch am Fenster fanden wir besetzt, das Lokal war voller
als beim letzten Mal. Notgedrungen wählten wir einen Tisch an der Wand.
    Â»Von hier können Sie Judiths alte Wohnung aber nicht sehen«, sagte
ich. Sie hatte sich hübsch gemacht, fiel mir erst jetzt auf. Zum ersten Mal war
sie heute nicht in Jeans und Pulli zum Dienst erschienen, sondern in einer
Bluse und einer anthrazitfarbenen, weit geschnittenen Tuchhose. Anstelle der
üblichen flachen Schuhe trug sie halbhohe Pumps, auf denen sie sich jedoch
ebenfalls lautlos bewegen konnte. Wieder einmal wurde mir bewusst, dass gute
Laune einen Menschen um vieles schöner macht als eine griesgrämige Miene.
    Â»Hin und wieder haben auch die fleißigsten

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