Die falsche Herrin
goldenen Lanzen bleibt verschlossen.
Jede Tür bleibt ihr verschlossen. Die Bewerbung als Dienstpersonal erfordert einige Qualifikationen. Zur Bettelei ist keine spezielle Schulung nötig.
Es ist das Ende. Wie von der Redingin vorausgesehen.
Anna Maria fällt am See auf die Knie, stemmt beide Fäuste ins Wasser und haucht ihr trostloses Spiegelbild an.
«Das Ende.»
Sie sagt dies im Tonfall der jungen Herrin. Nach einer Weile fügt sie bei: «Nahezu das Ende.»
Mit der flachen Hand schlägt sie ins Wasser, springt auf und federt davon.
Eine Stunde später steht sie erneut vor dem Herrenhaus. Ein Knecht spaltet dort Holz. Er heißt Sebel und arbeitet, seit er denken kann, bei den Redings. Wortlos beginnt sie, Scheiter an den Schopf zu schichten. Unbemerkt von Bediensteten, Söldnern, Kurieren und Offizieren. Es herrscht ein Kommen und Gehen. Pferde werden angeschirrt, abgehalftert, fortgeführt, Ware wird geliefert oder aufgeladen. Niemand schaut sich die Gesichter genauer an. Als die Holzrugel gespalten sind und die Scheiterbeige schnurgerade errichtet ist, erzählt sie Sebel, dass sie Redings neue Waschfrau sei. Sie sehe sich ein wenig im Hof um. Helfe, wo man sie brauche.
Er zeigt ihr den Weg zum Waschhaus. Dort liegen Bottiche voll Wäsche bereit. Das Tor zum Garten steht offen, und sie kann hineinspähen. Er gleicht demjenigen in Bern. Auch hier sind die Felder, Wege und Rabatten mit der Schnur gezogen, das Gelände ist in gleichmäßige Quadrate aufgeteilt, Kieswege kreuzen sich. Ein Saum aus Buchs umfasst die Blumenbeete. Im gleichmäßigen Abstand ragen Eibenkegel in die Höhe, und in der Mitte der Felder lockern kugelig geschnittene Büsche die Quadrate auf. Eine Sonnenuhr zeigt die Tageszeit. Zitronenbäume in Töpfen schließen den Garten nach Süden ab. An den Mauern zu beiden Seiten wachsen Spalierbäume mit Obst. Der Pavillon im Osten ist dicht mit Laub verwachsen.
Dort wird sie wohl sitzen und sticken, die Redingin. Und in ihr Tagebuch schreiben. Mit Freundinnen Tee trinken. In der Frühe wird sie von ihrem Zimmer auf den Pavillon hinabschauen, auf dessen fünfeckiger Kuppel aus Kupfer sich gleißend das Morgenlicht bricht. Am Abend schaut sie aus dem Fenster eines der Salons. Der Blick fällt von den Terrassen zu den Tätschhäusern des Dorfs, folgt der schimmernden Muota zum See.
Dort streut die untergehende Sonne ihre rotglühenden Splitter ins Wasser.
Es gibt Fenster nach jeder Seite, und auf ihrer Wanderung lässt die Sonne eins ums andere aufleuchten. Am Abend steht das Herrenhaus in Flammen – der Garten eines Gottes, wie Magnus sagt.
Hier bezieht die Bitzenin Quartier.
Sebel behauptet, das Mädchen habe ihn belogen. Habe sich mir nichts dir nichts eingenistet. Ihn treffe keine Schuld, sagt er.
«Ist es mein Fehler, wenn Redings ihre Bediensteten nie recht anblicken? Kaum deren Namen kennen? Sie rufen nach einer Maria, einem Sebel. Jemand rennt immer herbei. Doch wo diese und jener ein Lager finden, wissen sie nicht. Ob Maria und Sebel überhaupt Zeit zum Schlafen finden, wissen sie noch weniger. Ob ihr Sebel krank oder gestorben ist, wissen sie auch nicht. Wenn nur das Holz gestapelt ist und die Wäsche gebügelt in den Schränken liegt und eine Maria zur Essenszeit mit der Schlachtplatte heranmarschiert, damit die Gouvernante pünktlich auftragen kann.»
«Sebel übertreibt», sagt die Gouvernante. Alt sei er, und bitter. Und Bränts ist seine einzige Freud.
Die Neue richtet sich im Schuppen ein Heubett ein. Als der Tag anbricht, heizt sie den Ofen und füllt die Bottiche mit Wasser. Beim ersten Schlag des Morgengeläuts hüllt Dampf das Reding’sche Waschhaus ein. Niemand kümmert sich um die Neue, die kraftvoll sperrige Leintücher über einen Stock zwirbelt und ins kochende Wasser taucht. Eine Wäschehänge ist zwischen die Bäume gespannt. Sie trägt ihre Last hinaus an die Sonne, schlägt die Tücher übers Seil und hängt die Beinkleider und Hemden in Reih und Glied. Hat nie etwas anderes getan, und ein Waschtag in Schwyz ist so gut wie ein Waschtag in Zug.
Besser. Denn im Herrenhaus begegnet die Bitzenin der schönsten Einrichtung, die sie in ihrem Leben gesehen hat. Teppiche liegen in den Salons. Tapisserien zieren die Wände. Ein Behang aus glitzernden, klingelnden Kristallen hängt am Leuchter, und im Luftzug bewegen sich leise seine Flammen. Die Möbel quellen von Gegenständen über, deren Nutzen ihr nicht begreiflich ist.
Laut Sebel ist ein einzelner Gegenstand
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