Die falsche Herrin
Jede ergänzt mit seiner Idee, wie ihr zu begegnen sei. Bei Tisch trägt er die neuen Punkte aus seinem Cayer vor. Er nimmt kein Blatt vor den Mund. Seine Schilderung ist wortreich und dramatisch. Genau so, sagt er, werde er zum König sprechen. Ohne die kleinste Beschönigung. Die Augen werden dem Bien-Aimé aufgehen.
«Der König wird alles ändern. Mit einem Trait de plume.» Der Sieur macht sein Raubvogelgesicht. «Paff!»
Seine Familie lässt vor Schreck die Löffel in die Teller sinken. Der König werde den Sieur von Montlau nicht nach seiner Meinung fragen. Nach dem ersten Satz wirft der Bien-Aimé ihn in die Bastille! Die Meinung des Besitzers der Seigneurie von Montlau ist in Paris nicht gefragt. Es ist die Meinung eines Träumers aus der tiefsten Provinz. Man fleht den Sieur an zu schweigen. Er wird in Versailles Menuette tanzen. Nach der Musik des Königs.
Die Demoiselle wischt den Mund ab. Ganz nebenbei fragt sie: «Was, wenn Bien-Aimé die Châtelains auffordert zu bleiben?»
«Wir bleiben!» Wie ein Schuss kommt die Antwort von Madame. Sie legt ihre Hand auf die ihres Mannes. «Wir werden doch nicht auf die Pension verzichten, mit der unser König sich den Hofstaat sichert, mon cher!»
Der Sieur stößt den Stuhl zurück, schmettert die Tür ins Schloss, schwingt sich auf Favory und stiebt aus dem Hof.
Das Gewitter hat der Seigneurie einen Rest an unversehrten Weinstöcken gelassen, deren Trauben von guter Qualität sind. Zur Erntezeit stehen alle Winzer im Hang. Sieur reitet auf Favory durch die Weinberge und wacht über seine Leute. Sie arbeiten sich von Stock zu Stock durch die Reben voran, schneiden Trauben und werfen sie über die Schulter in ihre Tanse. Ihr Besitzer zählt die Tansen, die sie kopfüber in den Trog schütten. Die Süße der Beeren lässt nichts zu wünschen übrig. Dieser Jahrgang wird ein Millesime. Ein paar Fässer der schönsten Trauben will der Besitzer mit besonderer Sorgfalt keltern. Für die neue Zeit. Wenn das Cayer seine Wirkung entfaltet haben wird und das Königreich aufatmet. Dann stößt er mit dem König an.
«A votre santé, mon Roi! Ein Grand cru aus dem Südwesten.»
Nachdem alle Weinstöcke abgeerntet sind, klettern die Frauen in den großen Trog und zerquetschen die Beeren mit bloßen Füßen. Sie singen, stampfen und tanzen mit geschürztem Rock, angefeuert von den klatschenden Männern und von ihrem Sieur.
Die Dame aus Schwyz nestelt am Handschuh und sagt, dieses Fest der Winzer würde dem Herrn Papa gefallen. «Wo er nur bleibt? Was hält ihn auf? Er wird untröstlich sein, dass das Fest vorüber ist.» Wie sie ihn kenne, sagt sie, verspricht Papa, beim nächsten Fest der Winzer dabei zu sein. «Gewiss wird er seinen Freund, den Bien-Aimé, mitbringen wollen.»
«O!», sagt Madame. «Avec plaisir.»
Es ist bekannt, dass die Fröhlichkeit des Hofstaats unter der gestrengen Madame de Maintenon erstickt wurde. Aber unter dem jungen Louis XV schallt wieder Lachen durch die Säle. Es herrscht überschäumende Fröhlichkeit, herrliche Feste werden gegeben.
«In St-Emilion verstehen sie etwas vom Wein», wird der Bien-Aimé sagen. «Dort verstehen sie etwas von den Genüssen.»
Madame lächelt. «Es ist anzunehmen, mon cher, dass uns die Tür zu den Gemächern des Königs weit offen steht. Unser Wein wird bald im Keller des Königs lagern!»
Darin liegt nach Meinung des Sieurs eine Unze Wahrscheinlichkeit. Er eilt ins Chambre de Reflexion.
Da der Herr Papa ein Protégé ist vom König, gehört auch die Herrschaft von Montlau nicht lange zu den unbedeutenden Devoten. Sie steigen rasch zu engen Vertrauten in der Entourage des Königs auf.
Madame muss sich auf die Bank setzen und mit dem Plastron Kühle zufächeln.
Sie ist bereit. Sie beherrscht inzwischen das Tanzen in Reigen. Und sie macht den Hofknicks, ohne mit den Armen zu rudern.
Der Demoiselle fällt ein, dass sie noch ein Festkleid für den Hof benötigt, dazu passenden Schmuck, eine Perücke mit nach neuester Mode toupierten Locken und einen Hut mit Federn und Blumen und Tautropfen in einem Netz.
Sie hat unbeschränkten Kredit.
Clémence ist mit Öffnen und Schließen des Tors beschäftigt.
«Schlecht kann einem werden beim Anblick der Couturières, Gantiers, Brodeuses, Hutmacher, Juweliere, Schuster, die das Tor belagern.»
Der Auflauf muss vom Knecht überwacht werden. Die Mägde besetzen die Fensternischen, damit ihnen nichts entgeht. Es ist ein Kommen und Gehen, Vorzeigen und
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