Die falsche Tochter - Roman
ganz gut damit zurecht.«
»Haben Sie beide eigentlich etwas miteinander?«
»Hm. Es ist zwar noch nichts vorgefallen, aber ich glaube, es wird darauf hinauslaufen. Ist das ein Problem für Sie?«
»Nein. Es ist nur ein weiterer seltsamer Zufall, dass ich mir ausgerechnet die Anwältin aussuche, die ein Verhältnis mit meinem leiblichen Bruder hat. Also, es wäre schön, wenn Sie mir diese Liste von Suzanne besorgen könnten. Es ist an der Zeit, dass ich auch bei diesem Projekt zu graben beginne.«
Während Suzanne Tee und Kuchen servierte, lauschte sie aufmerksam, was Lana ihr zu sagen hatte. Sie händigte der Anwältin eine Liste mit Namen aus, die sie auf dem Computer erstellt hatte. Dann begleitete sie Lana wieder zur Tür.
Als sie ins Wohnzimmer zurückkam, wandte sie sich wütend an Jay: »Ich habe dich gebeten, herzukommen, weil Lana sagte, es sei wichtig, mit uns beiden zu sprechen. Aber du hast keinen Ton gesagt. Du hast überhaupt nichts zu dem Gespräch beigetragen.«
»Was sollte ich denn sagen? Du hattest dich doch bereits um alles gekümmert.«
»Ja, ich habe mich um alles gekümmert. Wie immer.«
»Und du wolltest nicht, dass ich dir helfe. Wie immer.« Suzanne ballte die Fäuste und ging an ihm vorbei in die Küche. »Geh, Jay. Geh einfach.«
Fast hätte er es getan. Genauso war es Jahre zuvor auch gewesen. »Geh, Jay«, hatte sie gesagt. Und er war gegangen. Aber dieses Mal folgte er ihr und packte sie am Arm.
»Du hast mich damals ausgeschlossen, und jetzt schließt du mich wieder aus. Und dabei schaust du mich voller Verachtung an. Was willst du, Suzanne? Ich habe immer nur versucht, dir das zu geben, was du wolltest.«
»Ich will meine Tochter zurückhaben. Ich will Jessie.«
»Du kannst sie nicht zurückhaben.«
»Du wärst natürlich nicht bereit, etwas dafür zu tun. Als wir in Lanas Büro waren, hast du kaum mit ihr geredet. Du hast sie ja nicht einmal in den Arm genommen.«
»Sie wollte nicht, dass ich sie berühre. Glaubst du wirklich, dass mich das kalt lässt?«
»Ich glaube, dass du sie schon vor langer Zeit abgeschrieben hast.«
»Das ist doch Blödsinn! Ich habe getrauert, Suzanne, und es hat wehgetan. Aber davon hast du ja nichts mitbekommen. Für dich gab es nur Jessie. Du warst plötzlich nicht mehr meine Frau, meine Geliebte. Du warst noch nicht einmal mehr meine Freundin, weil du nur noch Jessies Mutter sein wolltest.«
Jays Worte trafen Suzanne mitten ins Herz. So etwas hatte er noch nie zu ihr gesagt. Und er hatte auch noch nie so wütend und verletzt ausgesehen. »Du warst ein erwachsener Mann. Du warst ihr Vater.« Sie riss sich los und begann mit zitternden Händen, das Tablett abzuräumen. »Du hast mich im Stich gelassen, als ich dich am dringendsten brauchte.«
»Vielleicht habe ich das tatsächlich getan. Aber bei dir war es nicht anders. Ich brauchte dich auch, Suzanne, und du warst nicht für mich da. Ich wollte das, was wir hatten, erhalten, aber du wolltest alles opfern für das, was wir verloren hatten.«
»Sie war mein Baby.«
»Unser Baby. Verdammt noch mal, Suze, unser Baby.«
»Aber du wolltest sie ersetzen.«
Er trat einen Schritt zurück, als ob sie ihm eine Ohrfeige gegeben hätte. »Wie kannst du nur so etwas Dummes und Grausames sagen! Ich wollte noch ein Kind mit dir haben, keinen Ersatz. Ich wollte, dass wir wieder eine Familie sind. Ich wollte meine Frau wiederhaben, aber ich durfte dich ja nicht anfassen. Wir haben unsere Tochter verloren, Suzanne, aber ich habe zudem noch meine Frau verloren. Meine beste Freundin, meine Familie. Ich habe alles verloren.«
Suzanne wischte sich eine Träne von der Wange. »Das hat alles keinen Sinn. Ich fahre jetzt zu Jessica – Callie.«
»Nein, das wirst du nicht tun.«
»Was redest du da? Hast du nicht gehört, was Lana gesagt hat? Sie ist verletzt.«
»Lana hat auch gesagt, dass die Leute anfangen zu reden, und das bringt Callie in eine schwierige Position. Wenn du jetzt zur Ausgrabung fährst, gibst du den Gerüchten nur neue Nahrung.«
»Mir ist es egal, wenn die Leute klatschen. Sie ist schließlich meine Tochter. Warum sollten das nicht alle wissen?«
»Weil es ihr nicht egal ist, Suzanne. Weil du sie nur vertreibst, wenn du sie jetzt bedrängst. Wenn du nicht abwartest, bis sie von selbst zu uns kommt, wenn du ihre Grenzen nicht respektierst, wirst du sie ein zweites Mal verlieren. Sie liebt uns nicht.«
Suzannes Lippen bebten. »Wie kannst du so etwas nur sagen? Natürlich
Weitere Kostenlose Bücher