Die falsche Tochter - Roman
mehr frei. Ich kann Sie aber für nächste Woche Donnerstag vormerken.«
»Wir sind nur heute in der Stadt«, erklärte Callie.
»Das ist sehr schade. Vielleicht kann ich Ihnen einen Termin für eine telefonische Beratung geben?«
»Telefonische Beratungen sind so unpersönlich, finden Sie nicht« – Jake blickte auf das Namensschild aus Messing auf dem Schreibtisch und setzte sein strahlendstes Lächeln auf –, »Ms Biddle?«
»Das hängt von den Gesprächsteilnehmern ab. Wenn Sie mir sagen könnten, worum es geht, könnte ich Sie eventuell mit einem von Mr Carlyles Partnern zusammenbringen.«
»Es handelt sich um eine persönliche Angelegenheit«, fuhr Callie Ms Biddle an, was ihr einen leicht missbilligenden Blick eintrug.
»Ich leite Mr Carlyle gerne eine Nachricht von Ihnen weiter und kann Ihnen, wie ich bereits sagte, für Donnerstag nächster Woche einen Termin geben.«
»Es geht um eine Familienangelegenheit«, sagte Jake. Er trat Callie absichtlich auf den Fuß, während er Ms Biddle seine volle Aufmerksamkeit zuwandte. »Es hat etwas mit Marcus Carlyle, Richards Vater, zu tun. Ich denke, er wird mit uns
sprechen wollen, wenn Sie uns ein paar Minuten bei ihm einräumen.«
»Sind Sie mit Mr Carlyle verwandt?«
»Nun, es gibt in der Tat eine Verbindung. Wir sind nur kurze Zeit in Atlanta, und diese wenigen Minuten würden uns – und ich bin sicher, auch Richard – sehr viel bedeuten. Er möchte bestimmt nicht, dass wir wieder nach Maryland zurückfliegen, ohne ihn gesehen zu haben.«
»Wenn Sie mir bitte Ihre Namen sagen würden, dann teile ich ihm mit, dass Sie hier sind. Mehr kann ich nicht für Sie tun.«
»Callie Dunbrook und Jacob Graystone. Wir sind Ihnen sehr dankbar, Ms Biddle.«
»Wenn Sie bitte warten möchten. Sobald Mr Carlyle seine Konferenzschaltung beendet hat, sage ich ihm Bescheid.«
Kaum hatte Jake ihren Fuß freigegeben, trat Callie ihm gegen den Knöchel. Dann setzte sie sich in einen der Sessel. »Ich glaube nicht, dass wir mit Lügen weiterkommen«, flüsterte sie ärgerlich.
»Ich habe nicht gelogen, es waren lediglich Ausflüchte. Und jetzt sagt sie ihm zumindest, dass wir da sind.«
Callie griff nach einer Zeitschrift, warf sie aber gleich wieder auf den Tisch. »Warum musst du eigentlich mit jeder Frau flirten, die dir in die Quere kommt?«
»Das ist wahrscheinlich genetisch bedingt. Ich bin sozusagen ein Opfer meiner Gene. Na komm, Babe, du weißt doch, dass du die Einzige für mich bist.«
»Ja, das habe ich schon mal gehört.«
»Du hast es zwar gehört, aber nie verinnerlicht. Callie, wir haben viel zu besprechen. Wenn du deine Herkunft geklärt hast, werden wir uns Zeit für uns nehmen.«
Callie saß ein Kloß im Hals. »Fang bloß nicht so an, Jake. Ich habe im Moment schon genug Probleme.«
»Ich weiß, Callie. Ich wollte dir nur sagen …« Er brach ab, da in diesem Augenblick Ms Biddle auf sie zukam.
»Mr Carlyle kann Ihnen zehn Minuten geben. Bitte gehen Sie in den ersten Stock, dort erwartet Sie seine Sekretärin.«
»Danke.« Jake ergriff Callies Arm, als sie die Treppe hinaufgingen. »Siehst du? Das hat doch gut geklappt.«
Die erste Etage war genauso edel eingerichtet wie das Parterre. Carlyle war offensichtlich reich, hatte Erfolg und Stil. Sein Büro wirkte wie das Arbeitszimmer eines Gentlemans. Obwohl es sehr groß war, hatte es auch etwas Intimes. An den Wänden standen Regale mit Büchern und diversen Andenken, dazwischen hingen Gemälde amerikanischer Künstler. Die maskuline Note der Einrichtung wurde durch die Farbgebung – Burgunderrot und Marineblau waren die vorherrschenden Farben – noch verstärkt. Leder und Messing rundeten das Bild ab.
Richard Carlyle stand hinter seinem Schreibtisch. Er war groß und schlank und hatte eine schmale Nase und schmale Lippen. Das grau gesträhnte Haar trug er aus der hohen Stirn zurückgekämmt. Als er die Hand zur Begrüßung ausstreckte, fiel Callie auf, dass er Manschettenknöpfe mit seinem Monogramm darauf und eine Rolex trug. An seinem Ehering glitzerten mehrere Diamanten. Callie erinnerte sich, dass Henry Simpson Marcus Carlyle als gut aussehenden und dynamischen Mann von exquisitem Geschmack bezeichnet hatte. Wie der Vater, so der Sohn, dachte sie.
»Ms Dunbrook, Mr Graystone, es tut mir Leid, es zugeben zu müssen, aber ich weiß nichts von einer familiären Verbindung.«
»Die Verbindung besteht zu Ihrem Vater«, sagte Callie. »Er hatte mit meiner Familie zu tun. Ich muss
Weitere Kostenlose Bücher