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Die falsche Tochter - Roman

Die falsche Tochter - Roman

Titel: Die falsche Tochter - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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gewechselt, und dann ist er in den Wald gegangen. Ich dachte, er müsse pinkeln. Er kam mir nicht betrunken vor. Jedenfalls habe ich nicht besonders auf ihn geachtet.«
    »Das hat niemand«, warf Dory ein. »Ich war schon halb eingeschlafen und wollte eigentlich gerade ins Zelt gehen. Und ich … ich habe noch gehört, wie Digger zu Bill sagte: ›Pass auf, dass du nicht in den Brunnen fällst und ertrinkst!‹ Und ich habe darüber gelacht.« Sie schluchzte auf. »Ich habe gelacht!«
    »Wir haben ihn immer ausgelacht. Verdammt, er war aber auch so ein Trottel.«
    Dory wischte sich die Tränen von den Wangen. »Es ist nicht deine Schuld«, sagte sie zu Bob. »Wir hätten ihn nicht so schnell gefunden, wenn du dich nicht gewundert hättest, wo er bleibt. Er läge immer noch im Wasser, wenn …«
    »Ich will nach Hause.« Sonya begann wieder zu weinen. »Ich will nicht mehr hier sein.«
    Callie legte dem Mädchen den Arm um die Schultern. »Sobald der Sheriff sagt, dass wir gehen dürfen, kannst du zum Haus fahren. Und morgen früh überlegst du dir, was du tun willst.«
    Sie blickte zum Wohnwagen hinüber und gab dann Dory mit einer Geste zu verstehen, dass sie ihren Platz neben Sonya einnehmen sollte. Als Dory sich hinsetzte und beide Arme um Sonya schlang, stand Callie auf.
    Lass sie zusammen weinen, dachte sie. Sie selbst hatte keine Tränen mehr.

     
    Im Wohnwagen stellte Jake gerade eine Tasse Kaffee vor Digger auf den Tisch. »Los, trink einen Schluck.«
    »Ich will keinen Kaffee. Mein Gott, Jake, der Junge ist tot.«
    »Du kannst ihm jetzt nicht mehr helfen. Und dir kannst du nur helfen, wenn du nüchtern wirst und anfängst nachzudenken.«
    »Was gibt es denn da nachzudenken? Ich habe ihn allein zum Pinkeln gehen lassen, und er war so betrunken, dass er in den Scheißteich gefallen und ertrunken ist. Ich hätte mit ihm gehen sollen.«
    »Meine Güte, Digger, du bist doch nicht verantwortlich für das, was McDowell passiert ist.«
    »Ach, Himmel, Jake! Die meisten sind doch noch Kinder. Es sind Kinder, verdammt noch mal!«
    »Ich weiß.« Jake presste seine Stirn an den Schrank und rang um Fassung. Dann holte er eine weitere Tasse aus dem Schrank.
    Wie oft hatte er dem Jungen gegenüber spöttische Bemerkungen gemacht? Ihn wegen seiner Schwärmerei für Callie gehänselt?
    »Aber sie sind alt genug, um auf sich selbst aufzupassen, so wie sie alt genug sind, um Bier zu trinken. Du brauchst nicht den Babysitter für sie zu spielen, Dig. Du sollst nur darauf achten, dass niemand bei der Ausgrabung etwas kaputtmacht.«
    »Es ist ziemlich viel kaputtgegangen, wenn ein Kind ertrunken im Wasser liegt. Wo sind meine Zigaretten?«
    Jake warf ihm das zerknüllte Päckchen zu. »Trink jetzt endlich den verdammten Kaffee, rauch eine Zigarette, und dann erzähl mir, was genau passiert ist. Wenn du heulen willst, heul später.«
    In diesem Augenblick betrat Callie den Wohnwagen. »Ah, Mr Sensibel ist bei der Arbeit«, sagte sie und warf Jake einen finsteren Blick zu.
    »Er versucht nur, mich aufzurichten«, erwiderte Digger. Er zog sein Bandana aus der Tasche und schnäuzte sich geräuschvoll.

    »Ja, und wenn er dich mit dem Gesicht in die Scheiße drücken würde, würdest du noch behaupten, er täte das nur, um deinen Teint zu verbessern.«
    Callie ging um den kleinen Klapptisch herum und tat etwas, was sie noch nie zuvor getan hatte. Sie schlang die Arme um Diggers knochige Schultern und strich ihm über die langen, verfilzten Haare.
    »Ich war nur kurz hier im Wohnwagen, um aufs Klo zu gehen, das Bett schon mal herauszuziehen und Musik aufzulegen, für den Fall, dass ich Sonya hätte überreden können, ein bisschen mit mir rumzumachen. Ich wusste, dass Bill betrunken war. Das musst du dir vorstellen, er trinkt noch nicht mal zwei Bier und ist schon betrunken. Aber ab jetzt passe ich auf sie auf, das schwöre ich.«
    Digger seufzte leise und rieb seine Wange trostbedürftig an Callies. »Matt hat Gitarre gespielt. Er spielt nicht besonders gut, aber es ist immer ganz nett, wenn jemand ein bisschen Musik macht. Die zwei aus West Virginia, Frannie und Chuck, haben irgendwas geredet, und Bob hat geschrieben. Er hatte so eine blöde Lampe an seiner Kappe, wie ein Grubenarbeiter. Dory war schon halb eingeschlafen, und Sonya hat ›Freebird‹ gesungen. Sie kam mit dem Text nicht ganz klar, aber es hat mir trotzdem gefallen.«
    Er schloss die Augen. »Es war so ein schöner Abend. Überall flogen Glühwürmchen herum, und

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