Die falsche Tochter - Roman
es für ihre Eltern leichter wäre, wenn sie einfach mit der Suche aufhörte und alles begrub und vergaß?
Außerdem gab es genügend andere Archäologen, die das Antietam-Creek-Projekt kompetent leiten konnten. Andere, die Dolan oder Bill nicht gekannt hatten und nicht jedes Mal an sie erinnert wurden, wenn sie auf den Teich blickten, der in der Sonne glitzerte. Wenn sie wegginge, würden Jake und sie sich ein neues Leben aufbauen können. Wenn sich ihnen
schon eine zweite Chance bot, warum sollten sie sie dann nicht wahrnehmen? Sie war doch sowieso niemandem verpflichtet – weder der Ausgrabung noch dem Teil ihrer Vergangenheit, den sie erst vor zwei Monaten entdeckt hatte. Warum sollte sie ihr Glück und das Leben anderer Menschen riskieren, nur um alle Fakten über etwas herauszufinden, das sowieso nicht mehr geändert werden konnte?
Entschlossen legte sie die Knochen ab, die sie so sorgfältig gesäubert hatte, stemmte sich aus ihrer Grube und klopfte sich die Erde ab. In diesem Moment trat Jake auf sie zu.
»Mach doch mal fünf Minuten Pause«, sagte er und zog sie mit sich fort. Er hatte sie schon seit einigen Minuten beobachtet und die Erschöpfung und Verzweiflung auf ihrem Gesicht sehr wohl bemerkt.
»Ich bin fertig. Ich bin einfach total fertig.«
»Geh eine Weile aus der Sonne. Oder noch besser wäre, wenn du dich in Diggers Wohnwagen eine Stunde hinlegst.«
»Sag mir nicht, was ich nötig habe. Jake – ich habe gerade gemerkt, dass mir diese Knochen egal sind.« Sie wies in die Grube. »Und wenn sie mir egal sind, dann gehöre ich offenbar nicht mehr hierher.«
»Callie, du bist physisch und emotional erschöpft. Das macht dich wütend, und jetzt bist du auf dich selbst sauer, weil sonst keiner da ist.«
»Ich werde mich von dem Projekt zurückziehen und nach Philadelphia zurückfahren. Ich habe hier nichts mehr verloren.«
»Und was ist mit mir?«
»Komm mir nicht schon wieder damit.« Callies Stimme bebte, und sie hasste sich dafür. »Dazu bin ich nicht in der Stimmung.«
»Ich bitte dich nur, dir ein paar Tage Zeit zu nehmen. Mach eine Pause. Erledige Papierkram, fahr ins Labor, tu einfach, wozu du Lust hast. Und wenn dein Kopf wieder klar ist und du immer noch gehen willst, dann reden wir mit Leo und helfen ihm dabei, einen Ersatz für uns zu finden.«
»Für uns?«
»Wenn du gehst, gehe ich auch.«
»Meine Güte, Jake, ich weiß nicht, ob ich das kann.«
»Ich kann es. Dieses Mal wirst du dich auf mich stützen, und wenn ich dich dazu zwingen muss.«
»Ich will nach Hause.« Sie hatte einen Kloß im Hals, und einen Moment lang fürchtete sie, weinen zu müssen. »Ich möchte mich endlich wieder normal fühlen.«
»Okay.« Er zog sie an sich und schüttelte verneinend mit dem Kopf, als er sah, dass Rosie näher kam. »Wir nehmen uns ein paar Tage frei. Ich werde mit Leo sprechen.«
»Sag ihm … Himmel, ich weiß nicht, was du ihm sagen sollst.« Als sie sich von ihm löste, sah sie, dass Suzanne gerade ihren Wagen am Straßenrand parkte. »Oh Gott, das passt ja perfekt. Einfach perfekt.«
»Geh zum Wohnwagen. Ich wimmele sie ab.«
»Nein.« Callie wischte sich mit dem Handrücken über die Wangen, um sich zu vergewissern, dass sie trocken waren. »Wenn ich schon für ein paar Tage verschwinde, muss ich es ihr zumindest selbst sagen. Allerdings wäre es nett von dir, wenn du in der Nähe bliebest.«
»Falls du es nicht bemerkt haben solltest – das tue ich schon die ganze Zeit.«
»Hallo, Callie, hallo, Jake!«, rief Suzanne fröhlich, als sie durch das Tor trat. »Gerade ging mir durch den Kopf, dass es hier so aussieht, als ob die Arbeit richtig Spaß macht.«
Callie rieb ihre schmutzigen Hände an der Hose ab. »Ja, manchmal kann es Spaß machen.«
»Vor allem an einem solchen Tag. Ist es nicht ein wunderbares Wetter, so frisch und klar? Ich dachte, Jay wäre noch vor mir hier, aber offensichtlich hat er sich verspätet.«
»Entschuldigung, waren wir für heute miteinander verabredet?«
»Nein. Wir wollten nur … Nun, ich werde nicht mehr auf ihn warten. Herzlichen Glückwunsch.« Sie streckte Callie eine Geschenkschachtel entgegen.
»Danke, aber ich habe heute nicht Geburts –« Die Erkenntnis traf Callie wie ein Schlag, und fassungslos starrte sie auf die hübsche kleine Schachtel mit den glänzenden blauen Sternen. Es war Jessicas Geburtstag.
»Ich habe mir schon gedacht, dass du nicht daran denkst.« Suzanne ergriff Callies Hand und hängte ihr die
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