Die falsche Tochter - Roman
ihnen das vor«, gab er zu. »Seitdem bin ich keine feste Beziehung eingegangen. Ich wollte auch nie Kinder haben, weil das Verantwortung und Sorgen bedeutet.«
Er trat zu Lana und ergriff ihre Hände. »Ich will nicht Stevens Platz einnehmen, Lana, aber ich möchte die Chance haben, mit dir und mit Ty zusammenzuleben.«
»Doug …«
»Ich bitte dich, mir diese Chance zu geben. Und ich bitte dich, darüber nachzudenken, während ich weg bin.«
»Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder jemanden so lieben kann.« Mit zitternden Fingern umfasste sie seine Hände. »Ich weiß nicht, ob ich den Mut dazu habe.«
»Ich zweifele nicht daran, dass du eine mutige Frau bist.« Er küsste sie sanft auf die Stirn, auf die Wangen und auf den Mund. »Lass dir Zeit und denk darüber nach. Wir reden, wenn ich wieder zurück bin.«
»Bleib heute Nacht hier.« Sie schlang die Arme um ihn. »Bitte, bleib.«
»Bist du sicher?«
»Ja. Ja, ich bin mir sicher.«
Callie arbeitete bis zum Einbruch der Dunkelheit an ihrem Laptop, dann streckte sie sich und blickte zum Sternenhimmel empor. In Gedanken plante sie die Arbeiten für den nächsten Tag. Sie würde das Skelett der Frau ganz ausgraben und für den Transport ins Labor vorbereiten. Dann würde sie in diesem Abschnitt horizontal weiterarbeiten. Jake und sie mussten das Gelände von neuem überprüfen und die Einteilung anpassen. Außerdem musste sie sich den Langzeitwetterbericht ansehen, um das weitere Vorgehen planen zu können. Im Moment sah es so aus, als würde es in den nächsten Tagen warm und klar bleiben. Perfekte Bedingungen für die Grabung, da sich die Temperaturen konstant um 25 Grad Celsius bewegten und sich die Luftfeuchtigkeit in Grenzen hielt.
Callie entspannte sich und lauschte den Geräuschen der Nacht. Auf der Straße fuhr ein Auto vorbei, und am Ufer des Teiches quakte ein Frosch. Als der Mond aufging, begann der Hund von der Farm im Westen des Geländes zu heulen. Lana ahnt gar nicht, was ihr entgeht, dachte Callie. Nachts unter freiem Himmel herrschte ein Frieden, wie man ihn sonst nirgendwo fand. Sie konnte hören, wie Jakes Stift leise über das Papier kratzte. Er zeichnete im Schein seiner Coleman-Laterne häufig bis tief in die Nacht. Callie hatte sich schon oft gefragt, warum er eigentlich nicht Kunst studiert hatte. Träge öffnete sie ein Auge und musterte ihn. Er hatte seinen Hut abgesetzt, und die leichte Brise zerzauste seine Haare.
»Warum verdienst du dir eigentlich deinen Lebensunterhalt nicht mit Kunst?«
»Nicht gut genug.«
Callie rollte sich auf den Bauch. »Die Kunst oder du als Künstler?«
»Beides. Das Malen hat mich nie genug interessiert, als dass ich ihm die erforderliche Zeit gewidmet hätte. Außerdem fand ich ein Kunststudium damals nicht männlich genug. Es war
schon schlimm genug, dass ich die Farm meiner Eltern nicht übernehmen wollte, aber dann auch noch Künstler werden? Mein Vater wäre vor Verlegenheit im Boden versunken.«
»Hätte er dich nicht unterstützt?«
Jake warf ihr einen Blick zu und blätterte das oberste Blatt seines Skizzenblocks um. »Er hätte sicher nicht versucht, mich davon abzubringen, aber unterstützt hätte er mich nicht. Die Männer in meiner Familie arbeiten auf dem Feld oder mit Pferden und Rindern, nicht im Büro oder als Künstler. Ich war der Erste in meiner Familie, der einen Collegeabschluss gemacht hat.«
»Das wusste ich gar nicht.«
Er zuckte mit den Schultern. »So ist es eben. Ich habe mich schon als Junge für Anthropologie interessiert. Meine Eltern haben mich im Sommer ein paar Mal zu öffentlichen Ausgrabungen geschickt. Das war ein großes Entgegenkommen von ihnen, denn eigentlich brauchten sie mich auf der Ranch. Und dass ich aufs College ging, bedeutete ein Opfer für sie, trotz der Stipendien.«
»Sind deine Eltern eigentlich stolz auf dich?«
Jake schwieg einen Moment lang. »Das letzte Mal bin ich vor fünf, sechs Monaten auf einen kurzen Besuch zu Hause gewesen. Sie wussten vorher nicht, dass ich komme. Meine Mutter stellte einen zusätzlichen Teller auf den Tisch – nein, zwei, weil Digger dabei war. Mein Vater kam herein und gab mir die Hand. Wir aßen, sprachen über die Ranch, die Familie und meine Arbeit. Ich hatte sie fast ein Jahr lang nicht mehr gesehen, aber es war so, als sei ich noch gestern da gewesen. Sie haben kein Kalb für mich geschlachtet, weißt du. Aber als ich später einen Blick auf das Bücherregal im Wohnzimmer warf, standen da neben
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