Die falsche Tochter - Roman
den Büchern von Louis L’Amour, die mein Vater immer liest, zwei Bücher über Anthropologie. Das hat mich gefreut, weil es bedeutet, dass sie sich über meinen Beruf informiert haben.«
Callie strich ihm über den Handrücken. »Das ist die schönste Geschichte, die du mir je über deine Eltern erzählt hast.«
»Hier.« Er drehte den Block so, dass sie die Zeichnung sehen konnte. »Es ist nur eine grobe Skizze, aber so ungefähr sehen sie aus.«
Callie betrachtete die Zeichnung einer Frau mit einem schmalen Gesicht und ruhigen, von Fältchen umgebenen Augen. Ihre Mundwinkel waren zu der Andeutung eines Lächelns verzogen. Sie hatte lange, glatte Haare mit grauen Strähnen darin. Der Mann neben ihr hatte ausgeprägte Wangenknochen, eine gerade Nase und blickte ernst. Er hatte tief liegende Augen, und sein Gesicht war vom Wetter gegerbt.
»Du siehst aus wie dein Vater.«
»In etwa.«
»Wenn du ihnen das Bild schickst, lassen sie es bestimmt rahmen und hängen es an die Wand.«
»Ach was.«
Verlegen blickte er sie an. Sie nahm ihm den Block aus der Hand. »Doch. Jede Wette, wenn du es ihnen schickst, hängt es bei deinem nächsten Besuch zu Hause gerahmt an der Wand. Du könntest es morgen früh zur Post bringen. Haben wir eigentlich noch Wasser in der Kühlbox?«
»Ich glaube, ja.« Nachdenklich blickte er sie an, dann beugte er sich vor, um den Deckel der Box zu öffnen.
Als er nichts sagte, fragte Callie ungeduldig: »Ist noch welches da oder nicht?«
»Ja, hier ist noch eine Flasche.« Er drehte sich wieder zu ihr um. »Da ist jemand mit einer Taschenlampe im Wald«, fuhr er in dem gleichen beiläufigen Tonfall fort, als er ihr die Flasche reichte.
Obwohl Callie das Herz bis zum Hals schlug, öffnete sie den Verschluss der Flasche und setzte sie an den Mund, während sie gleichzeitig zum Wald blickte und beobachtete, wie der Lichtstrahl durch die Bäume glitt.
»Es könnten Kinder sein oder diese Arschlöcher, die uns hier vertreiben wollen.«
»Möglich. Du gehst am besten in den Wohnwagen und rufst den Sheriff an.«
»Warum?« Langsam drehte Callie den Verschluss der Flasche wieder zu. »Wenn es wirklich zwei von den Kerlen sind, sehe ich ganz schön alt aus. Wir schauen erst mal nach, und zwar alle beide.«
»Als du das letzte Mal nachgeschaut hast, hattest du eine Gehirnerschütterung.«
»Und auf dich ist geschossen worden. Wenn wir hier sitzen bleiben, können sie uns wie Enten auf dem Teich abknallen, falls sie das vorhaben.« Callie ließ die Hand in ihren Rucksack gleiten und umschloss den Griff einer Hacke. »Entweder gehen wir gemeinsam zum Wohnwagen und rufen an, oder wir sehen beide nach.«
Er blickte auf ihre Hand. »Du hast dich offensichtlich schon für Letzteres entschieden.«
»Dolan und Bill waren allein, als sie umgebracht wurden. Wenn jemand da draußen die Vorstellung wiederholen will, hat er es dieses Mal mit uns beiden zu tun.«
»Na gut.« Jake zog ein Messer aus seinem Stiefel. Callie riss die Augen auf.
»Meine Güte, Graystone, seit wann hast du das denn dabei?«
»Seit auf mich geschossen worden ist. Wir bleiben zusammen, klar?«
»Absolut.«
Er griff nach seiner Taschenlampe und stand auf. »Hast du dein Handy dabei?«
»Ja, in meiner Tasche.«
»Halte es bereit.«
Jake schaltete seine Taschenlampe ein und richtete sie auf den Wald, worauf der andere Lichtstrahl sofort die Richtung wechselte.
»Er läuft zur Straße«, zischte Jake.
Sie rannten los. Callie sprang über einen umgestürzten Baumstamm und machte längere Schritte, um sich Jakes Tempo anzupassen. Sie fluchte, als das Licht der Taschenlampe ausgeschaltet wurde, aber Jake hob die Hand, um sie zum
Schweigen zu bringen. Mit geschlossenen Augen konzentrierten sie sich auf die Geräusche. Man konnte das Rascheln eiliger Schritte hören.
»Er hat wieder die Richtung geändert«, flüsterte Callie.
»Wir holen ihn nicht mehr ein. Er hat einen zu großen Vorsprung.«
»Sollen wir ihn denn einfach abhauen lassen?«
Jake leuchtete die Umgebung ab. »Es war dumm von ihm, hier mit einer Taschenlampe herumzulaufen. Jeder Idiot hätte sich denken können, dass er dann gesehen wird.«
Er hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, als ihnen beiden klar wurde, was das bedeutete. »Oh, Scheiße!«, stieß Callie hervor und rannte zurück zum Feld.
Sekunden später zerriss eine Explosion die nächtliche Stille.
»Der Wohnwagen!« Jake blickte auf die Stichflamme, die in den Himmel schoss. »Dieser
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