Die falsche Tochter - Roman
Stiefel waren bereits bis über den Knöchel voller Schlamm, ihre Hände waren schmutzig, und sie roch nach Schweiß und dem Eukalyptusöl, mit dem sie sich zum Schutz gegen die Insekten einrieb. Callie war in ihrem Element.
Als eine Hupe ertönte, blickte sie auf und stützte sich grinsend auf ihre Schaufel. Sie hatte ja gewusst, dass Leo so schnell wie möglich herkommen würde.
»Macht weiter«, sagte sie zu den Studenten. »Grabt langsam und siebt die Erde gründlich durch. Ihr müsst alles dokumentieren.«
Dann ging sie zu Leo, um ihn zu begrüßen. »Wir finden jede Menge Steinsplitter«, sagte sie zu ihm. »Meiner Theorie nach sind wir hier auf der Kuppe des Hügels.« Sie wies auf die beiden Studenten, die gruben und die Erde durchsiebten. »Rosie wird uns sicher bestätigen können, dass es sich um Rhyolithsplitter handelt. Sie haben dort aus dem Felsen Pfeil- und Speerspitzen und Werkzeuge hergestellt. Wenn wir ein bisschen tiefer graben, finden wir bestimmt Scherben.«
»Rosie wird heute Nachmittag eintreffen.«
»Super!«
»Wie machen sich die Studenten?«
»Nicht schlecht. Das Mädchen da, Sonya, hat Potenzial. Auch Bob ist ernsthaft bei der Sache. Sie sind beide sehr willig.« Callie zuckte mit den Schultern. »Wir werden in kürzester Zeit einiges schaffen. Ich werde Bob beauftragen, die Einheimischen auf dem Laufenden zu halten. Ständig kommen Schaulustige vorbei.«
Sie blickte zu den beiden Studenten hinüber. »Bob hat so ein nettes, frisches Gesicht, das wird den Leuten gefallen. Er kann ja bei Bedarf erzählen, was wir hier tun, wonach wir suchen und wie wir das machen. Ich kann jedenfalls meine Arbeit nicht alle zehn Minuten unterbrechen, um die Leute zu unterhalten.«
»Heute übernehme ich das für dich.«
»Wunderbar. Ich spanne jetzt die Seile. Den Oberflächenplan habe ich schon ausgearbeitet – wenn du mal einen Blick darauf werfen möchtest? Du kannst mir beim Markieren der Parzellen helfen, wenn du Zeit hast.«
Callie blickte auf ihre uralte Timex, dann heftete sie die Liste, die sie bereits erstellt hatte, an ihr Klemmbrett. »Leo, ich brauche Behälter. Ich kann die Knochen, die ich heraushole, nicht einfach im Freien liegen lassen. Und ich brauche Nitrogengas und Trockeneis. Außerdem benötigen wir noch mehr Werkzeuge, Siebe, Schaufeln, Eimer und so weiter. Und noch ein paar Hilfskräfte.«
»Wirst du alles bekommen«, versprach Leo. »Der wunderbare Staat Maryland gewährt dir Mittel für das archäologische Forschungsprojekt am Antietam Creek.«
»Tatsächlich?« Entzückt packte sie ihn an den Schultern. »Oh, Leo, du bist meine einzige große Liebe!« Sie gab ihm einen geräuschvollen Schmatz auf die Wange.
»Apropos« – er tätschelte ihre schmutzigen Hände und trat einen Schritt zurück –, »wir müssen noch über ein weiteres wichtiges Mitglied des Teams reden. Dabei solltest du daran denken, dass wir alle Profis sind und hier Enormes leisten
müssen. Dieses Projekt könnte Wissenschaftler aus der ganzen Welt anziehen. Es geht nicht um Individuen, sondern um Entdeckungen.«
»Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst, Leo, aber so, wie du es formulierst, gefällt es mir nicht.«
»Callie …« Er räusperte sich. »Dieser Fund ist in anthropologischer Hinsicht genauso bedeutend wie in archäologischer. Deshalb musst du mit dem anthropologischen Leiter des Projekts eng zusammenarbeiten.«
»Ja, klar, Leo. Wofür hältst du mich? Für eine Diva?« Sie ergriff die Feldflasche, die an ihrem Gürtel hing, und trank einen Schluck. »Ich habe keine Probleme mit Nick. Im Gegenteil, ich habe ja extra darum gebeten, dass er kommt, weil ich weiß, dass wir gut miteinander auskommen.«
»Tja, nun …« In diesem Moment näherte sich auf der Straße ein Auto, und Leo brach mitten im Satz ab. Mit gequältem Lächeln blickte er den Neuankömmlingen entgegen. »Man bekommt nicht immer, was man haben will«, fuhr er schließlich fort.
Als Callie den schwarzen Wagen mit Vierradantrieb und den uralten rot-blau-grauen Pick-up mit dem schmutzigweißen, zerkratzten Wohnwagen dahinter erkannte, verschlug es ihr vor Schreck zunächst die Sprache. Auf der Seite des Wohnwagens war ein Dobermann abgebildet. Darunter stand der Name Digger . Widersprüchliche Gefühle schnürten Callie die Kehle zu, und das Herz schlug ihr bis zum Hals.
»Callie, bevor du etwas sagst …«
»Das kannst du nicht tun«, brachte sie mühsam hervor. Sie musste schlucken.
»Ich habe es schon
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