Die falsche Tochter - Roman
kommst du auf die Idee, du könntest dieses Baby sein?«
Callie antwortete nicht, sondern stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte ihren Kopf in die Hände. Sie hatte gewusst, dass Jake die richtigen Schlussfolgerungen ziehen würde. Dem Mann brauchte man nur ein paar beliebige Fakten zu nennen, und schon machte er innerhalb kürzester Zeit ein zusammenhängendes Bild daraus.
Und sie hatte auch gewusst, dass sie es ihm erzählen würde. Als er sie in der Bibliothek aufgespürt hatte, war ihr klar gewesen, dass Jake der einzige Mensch war, dem sie davon erzählen würde. Warum das so war, wollte sie jetzt lieber nicht analysieren.
»Die Frau, die mich im Motel aufgesucht hat, heißt Suzanne Cullen«, begann Callie. Und dann erzählte sie ihm alles.
Jake unterbrach sie nicht ein einziges Mal und sah sie die ganze Zeit über unverwandt an. Er kannte ihre Stimmungen so gut. Callie kämpfte immer noch mit dem Schock, doch er spürte, dass sie auch Schuldgefühle hatte.
»Es werden also Bluttests gemacht werden müssen, damit meine Identität bestätigt werden kann«, schloss sie ihren Bericht. »Doch wenn man die Daten und Informationen betrachtet, ist es nur vernünftig, anzunehmen, dass Suzanne Cullen Recht hat.«
»Du musst den Anwalt, den Arzt und überhaupt jeden, der etwas mit der Adoption zu tun hatte, aufspüren.«
Callie blickte Jake dankbar an. Er belastete sie nicht mit Mitleid oder Wutausbrüchen, sondern verstand von vornherein, dass sie pragmatisch vorgehen musste. Das war einer der Gründe, warum sie mit ihm über alles reden konnte.
»Damit habe ich schon begonnen. Mein Vater versucht, den Gynäkologen für mich aufzuspüren. Außerdem habe ich eine Anwältin engagiert, die Carlyle suchen soll. Es ist Lana Campbell, sie vertritt die Leute, die gegen das Bauprojekt am Antietam Creek sind. Ich war gestern bei ihr. Sie erscheint mir clever und gründlich, und sie gibt sicher nicht schnell auf. Ich muss zuerst die oberste Erdschicht abtragen, damit ich sehen kann, was darunter liegt.«
»Dieser Anwalt muss seine Finger im Spiel gehabt haben.«
»Ja, allerdings.« Callie presste die Lippen zusammen.
»Also spielt er eine Schlüsselrolle bei dem Ganzen. Ich möchte dir helfen, Callie.«
»Warum?«
»Wir sind beide gut im Rätselraten, Babe, aber gemeinsam schlagen wir sie alle.«
»Das ist noch nicht die Antwort auf meine Frage.«
»Es war schon immer schwer, dir irgendwas zu verheimlichen.« Jake schob seinen Teller weg und griff nach ihrer Hand. Als sie versuchte, sich loszureißen, packte er fester zu. »Sei doch nicht so verdammt abweisend. Du liebe Güte, Dunbrook, ich habe schon jeden Zoll deines Körpers angefasst, und du zuckst zusammen, nur weil ich deine Finger berühre.«
»Ich zucke nicht zusammen, und die Zeiten haben sich nun einmal geändert.«
»Glaubst du wirklich, du bist mir egal, nur weil du mich in die Wüste geschickt hast?«
»Ich habe dich nicht in die Wüste geschickt«, fauchte sie. »Du …«
»Komm, lass uns das vertagen.«
»Weißt du eigentlich, was mich bei dir immer besonders aufgeregt hat?«
»Ja, ich habe eine ganze Liste mit diesen Punkten in meiner Datenbank.«
»Wie du mich immer unterbrichst, wenn du weißt, dass ich Recht habe.«
»Gut, ich werde es notieren. Callie, warum können wir eigentlich nicht Freunde sein? Ich möchte es so gern ausprobieren.«
Wenn Jake ihr erzählt hätte, er wolle seine wissenschaftliche Laufbahn aufgeben und ab sofort Avon-Produkte an der Haustür verkaufen, hätte Callie nicht erstaunter sein können. »Du willst, dass wir Freunde werden?«
»Ich biete dir meine Freundschaft an, du Dickkopf. Ich möchte dir helfen, herauszufinden, was geschehen ist.«
»Es ist nicht sehr freundlich, mich als Dickkopf zu bezeichnen.«
»Freundlicher als das andere Wort, das mir spontan eingefallen ist.«
»Okay, ein Punkt für dich. Wir haben damals einen ganzen Berg Scherben hinterlassen, Jake.«
»Vielleicht sollten wir in der nächsten Zeit versuchen, ihn beiseite zu schaffen. Im Moment sind jedoch zwei Dinge am wichtigsten.« Unwillkürlich streichelte er mit seinem Daumen über ihre Knöchel. »Die Ausgrabung und deine Herkunft. Bei Ersterem müssen wir wohl oder übel zusammenarbeiten. Warum sollen wir dann nicht auch versuchen, das Rätsel deiner Herkunft gemeinsam zu lösen?«
»Wir werden uns streiten.« Allerdings störte Callie diese Vorstellung bei weitem nicht so sehr wie die Tatsache, dass sie das Bedürfnis
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