Die falsche Tochter - Roman
Du weißt schon, die Gräber der Vorfahren, die von verrückten Wissenschaftlern gestört werden und so.«
Amüsiert griff Callie nach ihrem Feuerzeug und zündete eine Kerze an. »Doch nicht schon wieder so eine Mumiengeschichte?«
»Na ja, in einer anderen Variante. Wir befreien uralte Mächte und Kräfte und so weiter, blabla.« Seine Blicke folgten ihr, als sie sich ein Handtuch aus dem Badezimmer holte und ruhelos im Zimmer auf und ab ging, während sie sich die Haare trocken rieb. »Du weißt doch, wie gern die Leute so eine Scheiße hören.«
»Also haben wir es mit einem verfluchten Gelände und einem stinksauren Bauunternehmer zu tun und müssen unsere Arbeit von einem Vertreter der amerikanischen Ureinwohner überwachen lassen.«
Callie holte eine frische Bluse aus der Kommode und ging zu Jakes Enttäuschung ins Badezimmer, um sich umzuziehen. »Dabei haben wir immer noch zu wenige Hilfskräfte, und bei diesem Regen wird das Feld morgen eine einzige Schlammgrube sein«, rief sie ihm über Schulter zu.
Er legte den Kopf schräg, um einen Blick auf ihren halbnackten Körper im Spiegel zu erhaschen. Ein Mann hatte schließlich das Recht auf seine kleinen Freuden. »Ja, so sieht es aus.«
Sie trat wieder ins Zimmer, nahm sich eine Flasche Wasser und lief weiter auf und ab.
»Alles in allem ist das eine tolle Sache«, erklärte sie grinsend. »Ich liebe diesen Job.«
»Wo warst du eigentlich eben?«
Schlagartig erlosch das Grinsen auf Callies Gesicht. »Eine persönliche Angelegenheit.«
Er wies mit dem Daumen auf die große Schuhschachtel am Fußende des Bettes. »Hast du dir etwa Schuhe gekauft? Willst du behaupten, dass du deine weibliche Ader entdeckt hast, Dunbrook?«
»Ich war nicht einkaufen.« Sie ergriff die Schachtel und stellte sie seufzend auf die Kommode. »Das sind Briefe. Suzanne Cullen hat sie ihrer Tochter jedes Jahr zum Geburtstag geschrieben. Meine Güte, Jake, du hättest ihr Gesicht sehen sollen, als ich bei ihr war, um mit ihr zu reden. Sie wirkte so hilflos, und ich weiß überhaupt nicht, wie ich damit umgehen soll.«
»Ich hätte dich begleiten können.«
Callie schüttelte den Kopf. »Es war schon schwer genug, ohne dass jemand dabei war. Und als ich gerade gehen wollte, kam auch noch ihr Sohn. Er ist gar nicht glücklich über diese Geschichte. Verdammt, als ob ich mich damals selbst aus dem blöden Buggy davongemacht hätte, um ihm das Leben zu vermiesen. Wir haben im Regen gestanden und uns wie zwei Idioten angeblökt. Er hat mich sogar beschuldigt, hinter ihrem Geld her zu sein.«
»Wie lange muss er im Krankenhaus bleiben?«
Bei Jakes Kommentar ging es ihr gleich ein bisschen besser. Sie hob den Kopf, und ihre Blicke trafen sich im Spiegel. »Du hast auch Geschwister, nicht wahr? Streitet ihr euch auch wegen eurer Eltern wie Hunde um einen Knochen?«
»Wir streiten über alles Mögliche«, erwiderte er. »Ich kann meinen Bruder in den Hintern treten, aber wenn jemand anders das versucht, verteidige ich ihn. Das hat was mit dem Zusammenhalt der Stämme zu tun. Und wenn meiner kleinen Schwester was zustieße, würde ich wahrscheinlich durchdrehen.«
»Ich war nur drei Monate lang seine kleine Schwester. Was für ein Band soll das sein, das uns verbindet?«
»Ein unsichtbares, Cal. Reiner Instinkt. Und außerdem hat man ihm, da er ein Junge und der Ältere war, höchstwahrscheinlich immer gesagt, er solle auf dich aufpassen.«
Jake wies auf die Wasserflasche, damit sie ihm auch einen Schluck abgab. »Das hätte er instinktiv sowieso gewusst, aber die Anweisungen anderer Verwandter haben seine Instinkte noch verstärkt und bestätigt. Du warst hilflos und schwach, und er musste dich beschützen.« Er trank einen Schluck und reichte ihr die Flasche zurück. »Aber er hat versagt. Jetzt ist er ein Mann und hat vermutlich als einziger Sohn diese Pflichten auf seine Mutter übertragen. Auf eine Art seid ihr beide Außenseiter und vermisste Kinder.«
»Das klingt ja fast, als wolltest du ihn in Schutz nehmen.«
»Ich wiederhole nur die grundlegenden Theorien. Wenn du
dich allerdings jetzt an mich schmiegen und mich bitten würdest, ihn für dich zu verprügeln, würde ich es in Erwägung ziehen.«
In diesem Moment klopfte es. Callie zuckte zusammen und wies mit dem Daumen auf die Tür. »Raus!«
Jake verschränkte jedoch lediglich die Hände hinter dem Kopf und machte es sich auf dem Bett gemütlich.
8
Lana schüttelte ihren Schirm aus, bevor sie ins Zimmer trat.
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