Die falsche Tochter - Roman
hielt sie fest. »Diese ganze Psychologie kann mir gestohlen bleiben«, fuhr sie fort. »Wenn jemand auf mich schießt, schieße ich zurück. Und seit wann schreckst du eigentlich vor einer Prügelei zurück? Normalerweise bist du doch derjenige, der damit anfängt.«
Sie ahnte ja nicht, wie gerne er genau das getan hätte. Als Jake Callie dort hatte stehen sehen, hätte er am liebsten blindlings drauflos geschlagen. »Ich prügele mich nicht, wenn meine Gegner in der Überzahl und obendrein mit gefährlichen Werkzeugen bewaffnet sind. Aber es versetzt mich nicht gerade in gute Laune, wenn ich mich zurückziehen muss.«
»Ich habe dich nicht darum gebeten, dich einzumischen.«
»Nein.« Er ließ ihre Hände los. »Darum hat mich niemand gebeten.«
Trotz ihrer Wut bemerkte Callie, dass eine Veränderung in Jake vorging. Plötzlich war er eiskalt. Beschämt murmelte sie: »Okay, vielleicht hätte ich nicht allein dorthin fahren sollen, und vielleicht hätte ich auch warten sollen, bis ich mich wieder unter Kontrolle habe. Meine Güte, Jake, ich liebe dieses Auto.«
»Ich weiß.«
Seufzend ließ Callie die Beine baumeln. Dann warf sie einen Blick auf Jakes schwarzen Mercedes. »Warum haben sie eigentlich nicht dein Auto beschmiert?«
»Vielleicht war ihnen klar, dass du viel wütender sein würdest als ich.«
»Ich hasse es, wenn ich so sauer werde. Ich kann dann gar nicht mehr klar denken.« Callie warf ihm einen Blick zu und seufzte. »Okay, okay, du hattest Recht – wie es mich ankotzt, das sagen zu müssen!«
»Warte, ich hole schnell mein Aufnahmegerät aus dem Wagen«, sagte Jake grinsend.
»Wenn du dich über mich lustig machst, werde ich mich nicht bei dir bedanken.«
»Du hast gesagt, dass ich Recht hatte, und willst dich auch noch bei mir bedanken? Ich hebe gleich ab!«
»Ich hätte wissen müssen, dass du mich nicht ernst nimmst.« Callie sprang von der Motorhaube. Sie wusste genau, dass Jake sämtliche Männer auf der Baustelle in Grund und Boden geprügelt hätte, wenn einer von ihnen auch nur ansatzweise die Hand gegen sie erhoben hätte. Bei diesem Gedanken wurde ihr beinahe ein wenig warm ums Herz.
»Ich sage ja nur, dass ich Dolan nicht inmitten seiner Männer aufsuchen und ihm die Schuld an der Schmiererei hätte geben sollen. Deshalb bin ich dir dankbar, dass du mich da herausgeholt hast, bevor etwas Schlimmeres passiert ist.«
»Gern geschehen. Willst du jetzt die Polizei anrufen?«
»Ja.« Sie stieß die Luft aus. »Aber zuerst brauche ich einen Kaffee.«
»Ich auch. Fahr einfach hinter mir her.«
»Ich brauche nicht –«
»Du bist in die falsche Richtung gefahren.« Grinsend ging Jake zu seinem Auto zurück.
»Gib mir meinen Schlüssel wieder«, sagte Callie. Er warf ihr den Schlüssel zu, und sie fing ihn auf. »Woher wusstest du überhaupt, wo ich war?«
»Ich bin zu Dolans Büro gefahren und habe die wahrscheinlich immer noch zitternde Sekretärin gefragt, wo du hingefahren bist. Der Rest war ganz einfach.«
Er stieg in seinen Wagen. »Den Kaffee bezahlst du.«
Als Lana an diesem Nachmittag zum Ausgrabungsgelände fuhr, hatte sie Tyler dabei. Sie hoffte, dass Callie es mit ihrer Einladung ernst gemeint hatte, denn der Junge hatte seitdem von nichts anderem mehr gesprochen.
Lana war von der Kanzlei aus zunächst nach Hause gefahren, um sich Jeans, eine Bluse und ihre ältesten Turnschuhe anzuziehen. Wenn sie ihren Sohn auf das matschige Gelände begleiten wollte, musste sie schließlich passend angezogen sein.
»Wenn ich Knochen finde, darf ich sie dann behalten?«, fragte Tyler, als sie am Straßenrand einparkte.
»Nein.«
»Bitte, Mom!«
»Das sehe bestimmt nicht nur ich so, Kumpel. Ich kann dir versprechen, dass Dr. Dunbrook das Gleiche sagen wird.« Sie schnallte ihren Sohn ab, gab ihm einen Kuss auf den Schmollmund und hob ihn aus dem Wagen. »Und erinnerst du dich auch noch an die anderen Regeln?«
»Ich darf nicht weglaufen. Ich darf nicht zu nahe ans Wasser, und ich darf nichts anfassen.«
Lachend nahm Lana ihn auf den Arm und ging mit ihm zum Tor.
»Was bedeutet F-O-T-Z-E, Mom?«, fragte Tyler.
Lana blieb wie angewurzelt stehen und starrte ihn fassungslos an. Er blickte mit angestrengt zusammengekniffenen Augen zu Callies Auto hinüber, und als Lana seinem Blick folgte, keuchte sie entsetzt auf.
»Ach, nichts. Gar nichts, Süßer. Da … fehlen ein paar Buchstaben.«
»Warum stehen da Wörter auf dem Auto, Mom?«
»Ich weiß nicht. Das muss
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