Die falsche Tochter - Roman
Das überlegen wir uns dann schon noch. Suzanne hat mir übrigens Briefe geschrieben.« Callie hielt einen Moment lang inne und beobachtete nachdenklich einen Eichelhäher. »Sie hat mir jedes Jahr zu meinem Geburtstag einen Brief geschrieben und sie alle in einer Schachtel aufbewahrt. Gestern Abend habe ich den ersten gelesen. Es hat mir fast das Herz gebrochen, und doch hat es irgendwie gar nichts mit mir zu tun. Jedenfalls nicht so, wie Suzanne es gerne hätte. Sie ist nicht meine Mutter, und sie wird es auch nie werden.«
Callie schüttelte den Kopf. »Aber jemand muss für den
Kummer bezahlen, den diese Frau ihr Leben lang empfunden hat. Wir werden Carlyle finden, und er und alle anderen, die an dieser Schweinerei beteiligt waren, werden dafür zahlen müssen. Das bin ich Suzanne schuldig.«
»Ich habe versucht, mir vorzustellen, wie es wäre, wenn mir jemand Tyler wegnehmen würde. Aber es gelingt mir nicht, der Gedanke daran ist einfach zu schrecklich. Ich glaube, dass es Freude und Schmerz zugleich für Suzanne bedeutet, dass sie Sie wieder gefunden hat. Ich weiß nicht, was Sie noch für sie tun könnten, aber das, was Sie bereits getan haben, ist sehr lieb und sehr tapfer von Ihnen.«
Callie lachte freudlos. »Es ist keins von beidem, es ist einfach eine Notwendigkeit.«
»Da irren Sie sich, aber ich werde nicht meine Zeit damit vergeuden, mit einer Mandantin zu streiten. Deshalb werde ich Sie auch gar nicht erst darauf hinweisen, wie überflüssig es ist, dass ich dieses Schriftstück für Sie aufgesetzt habe.« Sie holte ein Dokument aus ihrer Umhängetasche. »Bitte sehr, die Erklärung, dass Sie keine Ansprüche auf Suzanne oder Jay Cullens Besitz erheben. Sie müssen nur noch unterschreiben, und Ihre Unterschrift muss beglaubigt werden.«
Callie nickte und ergriff das Dokument. »Das kann Leo machen.«
»Ich würde Ihnen raten, noch ein paar Tage darüber nachzudenken.«
»Suzanne ist nicht meine Mutter, jedenfalls meiner Empfindung nach nicht. Ich habe kein Recht auf ihren Besitz. Ich möchte, dass Sie Douglas Cullen eine Kopie von dem Schreiben übergeben.«
»Vielen Dank«, erwiderte Lana mit sarkastischem Unterton. »Das wird mir eine große Hilfe sein, wenn ich noch einmal mit ihm ausgehen möchte.«
»Wenn er Sie wegen mir abserviert, hat er Sie auch nicht verdient.«
»Sie können das leicht sagen.« Die beiden Frauen machten sich auf den Rückweg zum Feld. »Sie haben ja einen Mann.«
»Habe ich nicht.«
»Oh, bitte!«
»Wenn Sie Graystone meinen, dann irren Sie sich. Das ist längst vorbei.«
»Was Sie nicht sagen.«
Callie blieb stehen und blickte Lana über den Rand ihrer Sonnenbrille hinweg an. »Was soll das heißen?«
»Ich mag Sie«, erwiderte Lana und rückte ihre Schultertasche zurecht. »Also nennen wir es mal eine harmlose Beobachtung mit einer Spur von Neid. Jake ist ein toller Mann.«
»Ja, er sieht gut aus.« Callie blickte zu Jake hinüber, der gemeinsam mit Sonya über einer Skizze brütete. »Jake und ich sind Partner, und wir arbeiten daran, dass wir uns im gleichen Raum aufhalten können, ohne einander an die Gurgel zu gehen.«
»Gestern Abend ist Ihnen das offenbar gelungen. Ich weiß, was es bedeutet, wenn ein Mann eine Frau ansieht, als ob er sie am liebsten verschlingen möchte – daher rührt auch die Spur von Neid. Mein Mann hat mich manchmal so angeschaut.«
Callie fragte sich, wie sie Lana ihr kompliziertes Verhältnis zu Jake erklären sollte. Sie beobachtete, wie er Sonya geistesabwesend die Schulter tätschelte. Dann ging er zu Tyler, hob ihn hoch, hielt ihn an den Füßen fest und ließ ihn mit dem Kopf nach unten baumeln. Der Junge quietschte vor Vergnügen. Callie musste sich eingestehen, dass er mit Kindern genauso gut umgehen konnte wie mit Frauen.
»Wir hatten eine ziemlich schwierige Beziehung. Der Sex war – na ja, wir haben uns im Bett ziemlich gut verstanden, aber darüber hinaus kamen wir nicht besonders gut miteinander aus.«
»Und doch haben Sie ihm die Geschichte mit der Adoption erzählt.«
Callie schlug ungeduldig mit dem zusammengerollten Dokument gegen ihren Oberschenkel. »Er hat mich in einem schwachen Moment erwischt. Außerdem kann man auf Jakes
Diskretion bauen – er ist keine Plaudertasche. Und er ist teuflisch gut, wenn es um Details geht. Ihm entgeht nichts.«
Als Jake sich am Spätnachmittag mit Ronald Dolan traf, biss er auf Granit. Mit dem Mann war nicht zu reden, obwohl Jake wirklich alle Register zog.
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