Die falsche Tochter - Roman
waren gerade beim Antietam-Creek-Projekt.«
An dem Schatten, der in diesem Moment über Jays Gesicht huschte, erkannte sie, dass er Bescheid wusste. Er wusste, dass seine vermisste Tochter nur ein paar Meilen von hier entfernt arbeitete.
»Und sie haben Teile von Skeletten und viele Steine und Fo- … Wie heißt das noch mal?«, fragte Ty seine Mutter.
»Fossilien.«
»Dr. Leo hat mir das hier gegeben. Es ist Millionen Jahre alt.«
»Du liebe Güte«, sagte Roger lächelnd. Lana bemerkte, wie er Jay beruhigend die Hand auf den Arm legte. »Dann ist dieser Stein ja sogar älter als ich.«
»Wirklich?« Ty blickte neugierig in Rogers runzeliges Gesicht. »Du kannst mal mitkommen und auch ein bisschen graben. Ich zeige dir dann, wie es geht. Und Bonbons habe ich auch bekommen. Dr. Jake hat sie aus meinem Ohr gezogen!«
»Was du nicht sagst!« Roger tat so, als schaue er in Tylers Ohren nach. »Hm, nichts mehr da. Offenbar hast du sie alle aufgegessen.«
»Es waren ja nur zwei Stück. Dr. Leo hat gesagt, dass Dr. Jake viele Zaubertricks kennt. Aber sonst hat er mir keinen gezeigt.«
»Na, das klingt ja ganz so, als hättest du einen tollen Tag gehabt.« Amüsiert tippte Jay Ty aufs Knie. »Darf ich deinen Stein auch mal in die Hand nehmen?«
»Okay.« Ty zögerte. »Aber du darfst ihn nicht behalten.«
»Nein. Ich will ihn mir nur anschauen.« Einfach nur, um etwas in der Hand zu halten, das eine Verbindung zu Jessica herstellt, fügte er in Gedanken hinzu. »Der ist wirklich toll. Als ich klein war, habe ich auch Steine gesammelt. Ich habe sogar ein paar Kugeln aus dem Bürgerkrieg gefunden.«
»Sind damit Leute erschossen worden?«, fragte Ty.
»Vielleicht.«
»Ty ist in der letzten Zeit ziemlich blutrünstig.« Aus den Augenwinkeln bemerkte Lana eine Bewegung und drehte sich um. »Hallo, Doug.«
»Hallo, Lana.« Doug musterte den Jungen, der ungeduldig auf der Theke vor und zurück schaukelte und dem fremden Mann vermutlich gerne gesagt hätte, er solle ihm seinen Schatz zurückgeben. Hübscher Junge, dachte Doug, ganz die Mutter. Geistesabwesend wuschelte er Ty durch die zerzausten Haare. Dann nahm er Jay die Speerspitze aus der Hand und betrachtete sie von allen Seiten, bevor er sie Ty zurückgab. »Willst du Archäologe werden?«
»Nein, ich werde … wie heißen die anderen noch mal?«, wandte sich der Junge Hilfe suchend an seine Mutter.
»Paläontologen.«
»Ja, genau, das werde ich, weil man dann Dinosaurier findet. Dinosaurier sind toll. Ich habe ganz viele Dino-Sticker in meinem Stickerbuch.«
»Ja, Dinosaurier sind wirklich faszinierend«, sagte Doug. »Ich hatte früher mal eine Dinosaurier-Sammlung, weißt du noch, Dad?«
»Die markerschütternden Schreie, die aus deinem Zimmer drangen, werde ich wohl nie vergessen«, antwortete Jay lächelnd.
»Ist das dein Dad?«, fragte Ty.
»Ja, das ist er.«
»Mein Dad ist im Himmel, aber er passt von da oben auf mich auf.« Ty baumelte mit den Beinen. Wie immer war er von dem Thema Väter fasziniert. »Spielst du Baseball? Ich spiele T-Ball und übe manchmal mit Mom. Aber sie kann nicht so gut fangen.«
»Das hört man gerne.« Lana pikste Ty mit dem Finger in den Bauch. »Haben Sie eine Minute Zeit?«, fuhr sie dann an Doug gewandt fort. »Ich muss mit Ihnen reden.«
»Klar.«
Lana warf Roger einen Hilfe suchenden Blick zu.
»Lass deinen Jungen ruhig bei mir«, bot er sofort an. »Doug, du kannst dich mit Lana im Hinterzimmer unterhalten. Und biete ihr etwas zu trinken an, ja?«
»Okay.« Doug versetzte Ty einen sanften Nasenstüber. »Bis später, Ty-Rex. Was ist?«, fragte er, als Lana einen erstickten Laut von sich gab.
»Nichts. Danke, Roger. Es war nett, Sie kennen zu lernen, Mr Cullen. Ty, benimm dich bitte ordentlich.« Mit diesen Worten folgte sie Doug ins Hinterzimmer.
Während Doug auf der Suche nach kalten Getränken den kleinen Kühlschrank öffnete, fuhr sich Lana verlegen durch die Haare. »Sie haben vermutlich unseren gemeinsamen Abend nicht so genossen wie ich«, sagte sie.
»Ich würde sagen, doch.«
»Sie haben aber nicht gefragt, ob Sie mich wieder sehen können.«
»Ich hatte viel zu tun.« Doug reichte ihr eine Dose Cola. »Aber ich habe schon darüber nachgedacht.«
»Nun, ich kann leider keine Gedanken lesen.«
Während sie die Dose öffnete, schoss ihm durch den Kopf, wie gut ihr die enge Jeans stand. »Vermutlich ist das auch besser so«, erklärte er.
Lana legte den Kopf schräg. »War das jetzt ein
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