Die falsche Tochter - Roman
Familie zu sehen, in der sie aufgewachsen wäre, wenn das Schicksal nicht jene Wendung genommen hätte. Verstohlen musterte Callie Jay Cullen. Er trug Chinos, ein blaugrün kariertes Hemd mit einer blauen Krawatte und bequeme Schuhe. Callie fand ihn auf eine zurückhaltende Art attraktiv. Als sie die Schatten unter seinen Augen bemerkte – oh Gott, es waren ihre Augen! –, ging ihr durch den Kopf, dass er wahrscheinlich nicht besonders gut geschlafen hatte.
Da es in Lanas kleinem Büro nicht genug Stühle für so viele Menschen gab, standen alle einen Moment lang verlegen herum. Dann trat Lana auf die Cullens zu und reichte ihnen die Hand.
»Danke, dass Sie gekommen sind, Mrs Cullen, Mr Cullen. Es tut mir Leid, aber ich hatte keine Ahnung, dass Doug Sie begleiten würde. Warten Sie, ich besorge noch einen Stuhl.«
»Ich kann stehen«, erwiderte Doug.
»Es macht keinerlei Umstände.«
Er schüttelte nur den Kopf. Wieder herrschte verlegenes Schweigen. »Setzen Sie sich doch, Mrs Cullen. Möchten Sie eine Tasse Kaffee? Oder etwas Kaltes zu trinken?«
»Lana – es ist für uns alle sehr schwer«, sagte Doug. Er legte seiner Mutter die Hand auf die Schulter und dirigierte sie zu einem Stuhl. »Lass es uns einfach hinter uns bringen.«
Lana nickte und setzte sich hinter ihren Schreibtisch. »Wie Sie wissen vertrete ich Callie in dieser Angelegenheit«, begann sie. »In der letzten Zeit haben sich einige Fragen und Informationen …«
»Lana –« Dieses Mal war es Callie, die sie unterbrach. »Ich mache das schon. Also, die vorläufigen Ergebnisse der Bluttests liegen vor. Sie sind noch sehr grob, weil die komplexeren DNA-Untersuchungen wesentlich mehr Zeit erfordern. Einer der Tests, der Vaterschaftstest, basiert auf dem Ausschlussverfahren, das heißt, dadurch kann bewiesen werden, dass ein Mann nicht der Vater eines Kindes ist. Das ist hier nicht der Fall.«
Sie hörte, wie Suzanne den Atem anhielt, und bemühte sich, ihren Tonfall weiter sachlich und nüchtern zu halten. »Die bisherigen Ergebnisse weisen darauf hin, dass wir wahrscheinlich … biologisch miteinander verwandt sind. Wenn man jetzt noch die anderen Informationen …«
»Callie!« Doug, dessen Hand immer noch auf Suzannes Schulter ruhte, spürte, wie seine Mutter zitterte. »Ja oder nein?«
»Ja. Natürlich besteht noch die Möglichkeit, dass es sich bei den Testergebnissen um einen Irrtum handelt, aber es ist eher unwahrscheinlich. Endgültig sicher sein können wir erst, wenn wir Marcus Carlyle – den Anwalt, der meine Adoption vermittelt hat – gefunden und befragt haben.«
»Fast neunundzwanzig Jahre«, flüsterte Suzanne. »Ich wusste, dass wir dich finden würden. Ich wusste, dass du eines Tages zurückkommst.«
»Ich …« Ich bin nicht zurückgekommen , hätte Callie am liebsten gesagt, doch als sie sah, dass Suzanne die Tränen über die Wangen liefen, hatte sie nicht den Mut, die Worte laut auszusprechen.
Als Suzanne aufsprang, erhob sich auch Callie instinktiv. Und als ihre leibliche Mutter dann die Arme um sie schlang, wusste sie nicht, ob sie ihrem Gefühl oder ihrem Verstand folgen sollte. Suzanne roch nach einem frischen Sommerduft, der
nicht zu der Dramatik des Augenblicks passte. Ihr dichtes, weiches Haar war etwas dunkler als Callies, und ihr Herz pochte hart und schnell. Dann stand auch Jay auf. Einen Augenblick lang blickten Callie und er sich an, aber dann musste Callie vor dem Ansturm der Emotionen, die sich auf seinem Gesicht spiegelten, die Augen schließen.
»Es tut mir Leid.« Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, und mechanisch wiederholte sie die Worte immer wieder. »Es tut mir so Leid.«
»Jetzt ist ja alles gut.« Suzanne streichelte Callie über die Haare und den Rücken, als sei sie noch ein Kind. »Alles ist jetzt gut.«
Callie kämpfte verzweifelt gegen den Drang an, sich loszureißen und einfach davonzulaufen.
»Suze.« Jay berührte Suzanne an der Schulter und zog sie sanft weg. Als sie sich zu ihm wandte, nahm er sie in die Arme.
»Unser Baby, Jay. Unser Baby«, stammelte sie.
»Schscht! Weine jetzt nicht. Komm, setz dich wieder hin.« Er drückte sie auf ihren Stuhl und ergriff das Glas mit Wasser, das Lana ihm reichte. »Hier, Liebes, trink einen Schluck.«
»Wir haben Jessica gefunden.« Suzanne ignorierte das Glas und ergriff stattdessen seine freie Hand. »Wir haben unser Baby gefunden. Ich habe es dir doch gesagt. Ich habe es dir immer gesagt.«
»Ja, du hast es mir immer
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