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Die Falsche Tote

Titel: Die Falsche Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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gestürzt und gleich vier Seiten darüber geschrieben, die Barbro jetzt alle lesen musste, bis sie endlich zum entscheidenden Punkt kam. 1981 reiste der unverheiratete und kinderlose schwedische Unternehmer Yngve Jernberg nach Griechenland und verliebte sich in die Kellnerin Eleni, die damals erst Ende zwanzig gewesen war, Jernberg hingegen schon zweiundfünfzig. Die beiden heirateten noch im selben Jahr. Jernberg adoptierte Stavros, nahm Frau und Kind mit nach Stockholm, wo Stavros als Athener Straßenjunge noch in der ersten Woche alle Östermalmer Elfjährigen dazu brachte, ihre reichen Eltern zu beklauen, um das Schutzgeld aufbringen zu können. Dass auch ältere Kinder bezahlt hatten, zeigte, wie gut die Ausbildung in dem Athener Kinderheim gewesen war. Zudem war 1981 das Schutzgeldgeschäftsmodell in Schweden auch noch New Economy gewesen.
    Stavros, der mittlerweile Jernberg hieß, hatte drei Jahre lang gute Einnahmen, bis die ersten Eltern sich über all das fehlende Geld und all die fehlenden Dinge in ihren Wohnungen zu wundern begannen. Yngve Jernberg, letztes Glied einer sehr alten und für ihren strengen Protestantismus berühmten Östermalmer Millionärsfamilie, reagierte bei seinem ersten Besuch auf der Polizeistation völlig fassungslos und erstellte als Versicherungsagent noch am selben Abend eine Schadensliste, um den Schaden noch vor Mitternacht wiedergutzumachen. Von da an hörte die Polizei nichts mehr von Stavros. Man nahm an, dass er bei Yngve das protestantische Programm durchlief, jedenfalls beurteilte die Psychologin den Jungen ein Jahr später als geheilt, solidarisch und menschenfreundlich. All das hatte sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu der kleinen Barbro mitten in Östermalm abgespielt, mit dem Unterschied allerdings, dass es bei den Setterlinds umgekehrt gewesen war. Hier war der Vater der Skrupellose.
    Das alles stand in einem starken Kontrast zu den Informationen, die Barbro bisher über die Folgejahre hatte sammeln können. Nach dem Abitur hatte Stavros Jernberg in Oxford Ökonomie studiert, und zwar in Rekordzeit. Oxford war ein guter Platz, viel Geld für eine überschätzte Ausbildung zu bekommen. Barbro konnte das nach einem sechswöchigen Blitzbesuch sagen, der ihrer Bewerbung bei der Polizei vorausgegangen war. Trotz Oxford war aus Stavros ein guter Unternehmer geworden. Yngve hatte ihm zur Mitte der Neunzigerjahre die Führung der Agentur übergeben und sich mit Eleni auf eine griechische Insel zurückgezogen. Wo die beiden genau lebten und ob sie noch am Leben waren, hatte Barbro nicht herausbekommen, weil schwedische Staatsbürger sich im Ausland nicht bei der Botschaft anmeldeten. Bis die griechische Polizei auf ihre Anfrage antwortete, würde sie wohl ein bisschen warten müssen. Sie nahm das Telefon und rief Kjell an.

77
    Um 1 Uhr 42 brach die schwedische Reichskriminalpolizei auf Befehl des Reichsanklägers und des Amtsgerichts von Stockholm die Räume der Versicherungsagentur JFM am Sergels Torg auf. Die Büros lagen in einem der bauklotzartigen Hochhäuser.
    Sie schalteten alle Lichter ein und suchten am Empfang vergeblich nach einer Telefonliste. Ragnar schickte seine Mitarbeiter los, die Schilder an den Bürotüren zu prüfen. Aus den so gewonnenen Namen und der Größe und Ausstattung des Büros skizzierte Ragnar ein Organigramm. Er tippte darauf, dass Göran Valtersson hier das Sagen hatte, und ließ ihn aus dem Bett holen.
    Inzwischen sah er sich ein wenig um. Anscheinend wurden in diesen Räumen nie Besucher, Kunden oder Versicherungswillige empfangen. Sie erweckten eher den Eindruck, als arbeitete hier nur die Verwaltung des Firmennetzes. Zur Repräsentation diente das Büro in Gamla Stan, und für die Abfertigung des Alltagsgeschäfts in Stockholm führte die Firma ein Kontor am Freihafen.
    Ragnar sah nach, ob es eine Küche gab, wo er ein Glas Leitungswasser bekommen konnte. Als seine Männer nach vierzig Minuten zurückkehrten, hatten sie nicht nur Göran Valtersson mitgebracht, sondern auch dessen Frau. Ragnar stammte schließlich aus der unbeliebtesten Kohlenhändlerfamilie in ganz Dalarna und war nicht so dumm, die Frau mutterseelenallein im Bett sitzen zu lassen, wo sie mit Gott und vor allem mit der Welt telefonieren konnte.
    Es mit der Reichskrim zu tun zu bekommen, machte auch solche kleinlaut, die sonst ganz auf ihr finanzielles Selbstwertgefühl vertrauten, und ein Nachtbesuch verstärkte dies immer noch.
    »Göran Valtersson, wir haben vermutet,

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