Die Falsche Tote
dass die Leitung hier bei dir liegt.«
Wenn Ragnar Annerbäck von Vermuten sprach, was seine kaufmännische Vorsicht zum Ausdruck bringen sollte, dann meinte er immer, dass er sich so lange vergewissert hatte, dass der verbleibende Zweifel nur noch rhetorischer Natur war.
Valtersson nickte ernst und konzentriert.
»Wir suchen nach einer Person mit dem Namen David Schumann, von der wir ausgehen, dass sie hier gearbeitet hat.«
Das Ergebnis würde negativ ausfallen, daran bestand kaum Zweifel. Schumann war bei keiner Behörde in Schweden gemeldet, und wenn er doch hier beschäftigt sein sollte, dann war hier allen klar, dass diese Beschäftigung illegal war.
»Kann er freier Mitarbeiter im Ausland sein?«
Valtersson wusste es nicht genau und wollte nachsehen. Ragnar begleitete ihn in sein Arbeitszimmer.
»An diesem Standort gibt es keinen David Schumann«, murmelte Valtersson vor sich hin, während er sich in seinen Computer einloggte. Der war anscheinend von diesem nächtlichen Besuch genauso überrascht wie sein Benutzer und reagierte träge. Valtersson öffnete eine Datenbank, suchte und scrollte. Schließlich schüttelte er den Kopf und behauptete, dass es keinen David Schumann bei JFM gab, auch nicht in Calcutta. Er bat darum zu erfahren, was der Reichsankläger und die Reichskriminalpolizei denn von ihm wollten.
»Das darf ich dir leider nicht sagen. Wir haben heute dieses Fax von euch bekommen.«
Valtersson nahm die Kopie entgegen, studierte sie und deutete mit dem Finger zur Wand, womit er wohl andeuten wollte, dass seine Kollegin Laura Granhammer in einem der angrenzenden Büros arbeitete. Wenn es Tag war.
»Bevor wir auf den Inhalt zu sprechen kommen, würde ich von dir gerne erfahren, ob und wann ihr für den Schriftverkehr diese Schriftart verwendet.«
Valtersson rümpfte die Augenbrauen. Was für eine erstaunliche Frage, aber sicher interessant genug, um sich um zwei Uhr nachts einen Trenchcoat über einen Sportanzug zu ziehen und herzukommen.
»Das ist eine alte Tradition dieses Hauses. Fägerskiöld, ein ehemaliger Mitinhaber, kam aus einer Setzerfamilie und hat in Amsterdam das Setzerhandwerk gelernt. Damals, als die Firma gegründet wurde, war eine eigene Hausschrift noch eine Frage der Kultur.«
»Bist du seit Gründung der Firma hier?«
»Ja, und seit 1974 Prokurist. Seitdem Jernberg Junior die Firma führt, bin ich zudem Leiter der schwedischen Abteilung. Diese Schrift wurde speziell für uns geschnitten und für den Druck der Geschäftpapiere verwendet. Im Büro gab es damals natürlich nur Schreibmaschinen. Als die Computer aufkamen, ließ Jernberg Senior sie noch digitalisieren. Seitdem setzen wir sie auch für Briefe ein.«
»Aber auf eurer Internetseite und einigen anderen Dokumenten verwendet ihr sie gar nicht.«
»Nun, für den Bildschirm eignet sie sich nicht. Sie wirkt unleserlich und in diesem Rahmen auch ein wenig zu altmodisch und unflexibel. Flexibilität ist nun aber gerade die gewünschte Qualität einer Versicherungsagence.«
Das letzte Wort sprach er französisch aus, was auch ein bisschen zur Geschichte der Firma passte. Die Gründer stammten alle aus seit langer Zeit in Stockholm etablierten Familien, wo man wohl auch noch Exlibris in seine Bücher klebte und Monogramme in die Servietten sticken ließ.
»Diese Schrift findet man also nur bei euch. Sie ist Eigentum der Firma?«
Valtersson nickte. »Niemand darf sie verwenden. Sie wurde von einem Amsterdamer Drucker, der bis zu seinem Tod 1992 nur Bleisatz gesetzt hat, für uns nach einem Vorbild aus dem siebzehnten Jahrhundert gezeichnet.
»Da haben wir nun ein Problem«, gestand Ragnar ganz freimütig und nahm für den Rest des Satzes seine Brille ab. »Dieser David Schumann, ein junger Computerkrimineller aus Deutschland, verwendet diese Schrift, um Liebesbriefe zu schreiben.«
»Tatsächlich?«
»Kann die Schrift vielleicht über das Internet nach außen gelangt sein?«
»Wir arrangieren sehr individuelle Versicherungspolicen und verzichten daher grundsätzlich auf die Möglichkeit des E-Mail-Verkehrs, jedenfalls dort, wo wir auch die Schrift noch einsetzen.«
»Nun halten wir David Schumann durchaus für fähig, euch auf der Internetleitung sozusagen auf halber Strecke entgegengekommen zu sein, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Sprichst du von Datendiebstahl?«
»Ja, das hätten wir zu prüfen.«
»Das wäre schrecklich, aber heute ist alles möglich.«
Das ist es für David Schumann bereits,
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