Die Falschmünzer vom Mäuseweg
mehr als Grippe oder andere Gründe für das Versäumnis des Unterrichts.
Sie radelte zur Schule, war
immer noch aufgewühlt von dem Erlebnis und machte sich Gedanken.
Gaby kam während der Pause an,
ging gleich zum Lehrerzimmer, entschuldigte sich für ihr Zuspätkommen beim
Bio-Pauker, der die 9b in der dritten Stunde unterrichtet hatte, und nannte den
Grund, der bei Dr. Kausch Staunen und Betroffenheit hervorrief.
Als sie ins Klassenzimmer kam,
schob Klößchen sich gerade ein Stück Schokolade in den Mund.
Tarzan hockte lässig auf der
Fensterbank und ließ Karls Vortrag über sich ergehen.
Karl stand mit erhobenem
Zeigefinger da, redete zu seinen Freunden, ließ sich durch Gabys Ankunft nicht
unterbrechen, nickte ihr aber freundlich grinsend zu — wie Klößchen, der wegen
beträchtlicher Mundfüllung nicht reden konnte.
Tarzan sprang von der
Fensterbank und begrüßte Gaby mit Handschlag.
»Hallo, Pfote.«
»...steht jetzt also, mit dem
nahenden Weihnachtsfest, die ›süße Saison‹ vor der Tür«, ließ Karl seine Stimme
vernehmen. »Und trotz ängstlicher Blicke auf Kalorientabelle und Waage essen
wir Westdeutschen so viel Schokolade wie nie zuvor. Herr Sauerlich könnte
sicherlich bestätigen, dass wir einen Pro-Kopf-Verbrauch von 6,7 Kilogramm —
das sind 67 Tafeln — erreicht haben. Jedenfalls im letzten Jahr. Das ist
gegenüber dem vorletzten Jahr eine Steigerung von 4,7 Prozent. Bei dieser
Rekordmarke wird es dieses Jahr nicht bleiben. Das Informationszentrum für
Schokolade in St. Augustin bei Bonn rechnet mit einem weiteren Zuwachs in
ähnlicher Größenordnung. Auch die Produktion erreichte bisher unbekannte Höhen.
Fast 400 000 Tonnen Schokolade verließen im letzten Jahr die rund 90
Unternehmen der Branche — allen voran natürlich die Firma Sauerlich. Dazu wurden
noch rund 85000 Tonnen importiert. ›Wie herrlichh, meint unser Willi, der
größte Konsument und Weltmeisterschaftsanwärter im Schokoladeessen. Aber
vermutlich niemand könnte von dieser Schokoladenseite des Lebens träumen, wenn
nicht Kolumbus 1502 auf seiner vierten Amerikareise Kakaobohnen entdeckt hätte.
1657 soll das erste Schokoladengeschäft gegründet worden sein. Nicht von
Altvorderen der Familie Sauerlich, sondern von einem Franzosen — aber in
London. Der Siegeszug des Kakaopulvers durch ganz Europa war nicht aufzuhalten.
In Deutschland wurde Schokolade zuerst als teures Stärkungsmittel in Apotheken
verkauft und...«
»Ich stärke mich gerade«, warf
Klößchen ein. »Wie Recht die Apotheker damals doch hatten!«
»...und eroberte die
Fürstenhöfe«, fuhr Karl fort, »genauso schnell wie vorher in Spanien,
Frankreich und Italien. Vom Dichterfürsten Goethe ist überliefert, dass er
Schokoladenpulver als Reiseproviant in die Schweiz mitnahm. Heute hieße das,
Eulen nach Athen tragen. Denn 1875 war es dann auch ein Schweizer, der die
erste Milchschokolade auf den Markt brachte. Er hieß Daniel Peter und hatte
acht Jahre lang an dieser Erfindung experimentiert.«
Stolz blickte Karl von einem
zum andern. Er hatte wieder mal gezeigt, was in einen schlauen Kopf alles
reinpasst.
»Ich bin vom Zuhören satt«,
sagte Tarzan.
»67 Tafeln pro Kopf und pro
Jahr«, überlegte Klößchen. »Wenn ich das richtig sehe, esse ich deinen Anteil,
Tarzan, mit. Und deinen, Karl, deinen, Gaby, überhaupt — glaube ich — den
Anteil der ganzen Klasse.«
»Der ganzen Schule«, lachte
Tarzan. Aber das war nun wirklich übertrieben. Denn dann wäre Klößchen, bei
über 1000 Schülern, auf über 67 000 Tafeln gekommen.
»Und du hast verschlafen,
Pfote?«, wandte Tarzan sich an Gaby. »Oder sind dir unterwegs Hunde, denen du
die Pfote schütteln musstest, so zahlreich begegnet?«
»Mitnichten!«, erwiderte sie.
»Mein Zuspätkommen hat einen anderen — sehr gefährlichen Grund.«
Gespannt sahen die Jungs sie
an.
Andere Klassenkameraden, die
während Karls Vortrag die Ohren auf Durchzug gestellt hatten, reckten die Köpfe.
Aber Gaby ließ sich Zeit. Erst
mal kämmte sie mit einem winzigen Taschenkamm ihren Pony.
»Ich war bei einem Überfall
dabei«, sagte sie. »Als Augenzeugin.«
7. Ein Mitschüler wird erpresst
Dreimal erzählte Gaby ihr
Erlebnis.
Beim ersten Mal hagelte es
Zwischenrufe. Beim zweiten Mal wurde nach diesem und jenem gefragt. Beim
dritten Mal hatte sie Gelegenheit, zusammenhängend zu berichten.
»Das haut den stärksten Eskimo
vom Schlitten«, sagte Tarzan.
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