Die Familie ohne Namen
den Meister Nick betrifft, so wäre von ihm der hellsehendste Weissager des Far-West, der ihm prophezeit hätte: »Der Tag wird noch kommen, wo Du, königlicher Notar, friedlich von Charakter, klug durch Passion, Dich an der Spitze eines Huronenstammes gegen die von Gott verordneten Behörden Deiner Heimat schlagen wirst!« – dieser Weissager wäre von ihm für würdig erachtet worden, unverzüglich in das nächste Irrenhaus eingesperrt zu werden.
Und dennoch befand sich der Meister Nick jetzt an der Spitze der Krieger dieses Stammes. Nach einer feierlichen Verhandlung waren die Mahogannis dahin überein gekommen, sich den Patrioten anzuschließen. Ein großer Häuptling, in dessen Adern das Blut der Sagamores rollte, konnte da nicht zurückbleiben. Vielleicht wagte er noch zuletzt einige Einwendungen… Diese wurden gar nicht angehört. Am nächstfolgenden Tage, nachdem Lionel, der den Abbé Joann begleitete, Walhatta verlassen und das Feuer in der Mitte des Berathungsplatzes erloschen, hatte sich Meister Nick, gefolgt – doch nein, angeführt von etwa fünfzig Kriegern, nach dem Ontario-See begeben, um nach dem Dorfe Schlosser zu gelangen.
Der freundliche Leser begreift gewiß leicht, welcher Empfang hier dem Meister Nick zu Theil wurde. Thomas Harcher drückte ihm die Hand so übermäßig kräftig, daß es ihm vierundzwanzig Stunden lang unmöglich war, den Bogen oder Tomahawk zu handhaben. Dieselbe Bewillkommnung erfuhr er von Seiten Vincent Hodge’s, Farran’s, Clerc’s und aller Derjenigen, welche seine Freunde oder in Montreal seine Clienten gewesen waren.
»Ja… ja freilich… stammelte er, ich hielt mich für verpflichtet… oder vielmehr diese wackeren Leute hier…
– Die Krieger Ihres Stammes?… fragten Mehrere.
– Ja… meines Stammes!« antwortete er.
Wenn der vortreffliche Mann auch selbst eine höchst klägliche Rolle spielte, der gegenüber sich Lionel um seinetwillen geschämt hätte, so begrüßte man es doch mit Freuden, daß die Huronen herbeikamen, um der nationalen Sache ihre Hilfe zu leihen. Folgten jetzt die anderen Stämme ebenfalls ihrem Beispiele und verbanden sich deren Krieger aus denselben Beweggründen mit den Reformern, so konnte die Regierung kaum im Stande sein, der aufständischen Bewegung Herr zu werden.
In Folge der letzten Vorkommnisse hatten die Patrioten freilich aus der Offensive zur Defensive übergehen müssen. Und im Fall, daß die Insel Navy in die Gewalt des Obersten Mac Nab fiel, war die Sache der Unabhängigkeit unwiderruflich verloren.
Die Anführer der Blaumützen hatten sich bemüht, den Widerstand mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu organisiren. An verschiedenen Stellen der Insel hatte man hierzu Wälle aufgeworfen, um jeden Landungsversuch unter besseren Verhältnissen zurückweisen zu können, und Waffen, Schießbedarf, sowie Proviant, der nach dem Dorfe Schlosser kam, wurden in größter Eile und mit rühmlichstem Eifer besorgt. Am schwersten empfanden es die Patrioten, daß sie hier verurtheilt waren, einen Angriff abzuwarten, statt einen solchen selbst zu unternehmen, da es ihnen an Transportmitteln, den Niagara zu überschreiten, vollständig fehlte. Wie konnten sie sich aber ohne diese Hilfsmittel auf das Dorf Chippewa stürzen und zum Sturm auf das am linken Stromufer errichtete und befestigte Lager vorgehen?
Begreiflicher Weise mußte sich ihre Lage, je länger sie in dieser Weise andauerte, nur weiter verschlimmern. Wirklich erhielten die Streitkräfte des Oberst Mac Nab immer noch Verstärkungen, während die Vorbereitungen zur Ueberschreitung des Niagara mit allem Eifer betrieben wurden. Bis zur Grenze zurückgedrängt, hätten die Vertheidiger der franco-canadischen Sache gewiß vergeblich gesucht, mit den Bevölkerungen der Provinzen Ontario und Quebec im Einvernehmen zu bleiben. Wie sollten sich denn aber die Kirchspiele sammeln, um die Waffen zu ergreifen, und wer hätte sich jetzt an ihre Spitze stellen sollen, wo die Colonnen der Königlichen alle Grafschaften am St. Lorenzo durchzogen?
Ein Einziger hätte das vermocht. Ein Einziger hatte genug Einfluß auf die Volksmassen, das war Johann ohne Namen. Seit der Niederlage von St. Charles aber war dieser verschwunden, und alle Wahrscheinlichkeiten sprachen dafür, daß derselbe unbemerkt den Tod gefunden hatte, da er an der amerikanischen Grenze noch nicht erschienen war. Die Annahme, daß er erst neuerlich der Polizei in die Hände gefallen sein könne, erschien
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