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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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hunderte in meinem Leben vollziehen lassen, doch keiner hat noch die Namen so vieler wackerer Leute auf seiner letzten Seite aufgewiesen!«
    Da wurden die Wilden schon sichtbar und mit lautem Jubel willkommen geheißen. Es wäre übrigens gar nicht nöthig gewesen, sie zum Eintritt in die Farm einzuladen, denn sie kamen dahin schon allein, fünfzig Köpfe stark, Männer und Frauen. Unter denselben erkannte Thomas Harcher auch den Huronen wieder, der erst am vergangenen Tage dagewesen war, um sich zu erkundigen, ob Meister Nick nicht in der Farm von Chipogan verweile.
    Warum hatte diese Truppe Huronen aber ihre Ansiedlung im Dorfe Walhatta verlassen? Warum erschienen die Mahogannis jetzt in feierlichem Aufzuge, um dem Notar aus Montreal ihren Besuch abzustatten?
    Der Leser wird bald erfahren, daß sie hierfür einen sehr wichtigen Beweggrund hatten.
    Die Huronen erschienen – und das thun sie im Frieden nur bei besonders feierlichen Gelegenheiten – in ihrer Kriegertracht und den Kopf mit vielfarbigen Federn geschmückt, die langen, vollen Haare bis auf die Schultern herabhängend, über welche eine Art Mantel aus gestreiftem Wollengewebe geworfen war, den Oberkörper bedeckt mit kurzem Rocke aus Damwildfell, die Füße in Mocassins aus rohem Leder; sie waren Alle mit jenen langen Flinten bewaffnet, welche bei den Indianerstämmen schon seit vielen Jahren an Stelle der Bogen und Pfeile ihrer Vorfahren getreten sind. Die altherkömmliche Streitaxt, der Kriegs-Tomahawk, hing bei Jedem an dem Riemen, den sie um die Taille trugen.
    Außerdem – eine Einzelheit, welche noch weiter den Ernst der Veranlassung ihres Zuges nach der Farm von Chipogan erkennen ließ – bedeckte eine noch ganz frische Malerei das Gesicht der Leute. Das Himmelblau, Rauchgrau und der Zinnober hoben ihre Adlernase mit den weiten Nasenlöchern und die kleinen lebhaften Augen, aus deren dunkler Höhle es wie ein Feuerbrand leuchtete, nur noch mehr hervor.
    Der Abordnung des Stammes hatten sich auch einige Frauen aus Walhatta – ohne Zweifel die jüngsten und schönsten der Mahogannierinnen – angeschlossen. Diese Squaws trugen ein Leibchen aus gesticktem Stoffe, dessen Aermel die Vorderarme bedeckten, einen Rock in leuchtenden Farben, dazu »Mitasses«, das sind eine Art Schuhstrümpfe aus Caribuleder, die, mit Stacheln und Dornen verziert, bis zu den Füßen herabreichten, während letztere endlich von geschmeidigen Mocassins mit aufgestickten Glasperlen verhüllt waren. Die Füße der Frauen erschienen übrigens so zierlich, daß sich keine Europäerin derselben hätte zu schämen brauchen.
    Die Indianer hatten, wenn das überhaupt möglich war, das gewohnte würdige Aussehen heute noch verdoppelt. Sie bewegten sich feierlich bis zur Schwelle des großen Saales, an der Herr und Fräulein de Vaudreuil, der Notar, Thomas und Catherine Harcher standen, während die übrigen Anwesenden den Hof erfüllten.
    Da begann Einer, der der Anführer der Truppe zu sein schien, ein hochgewachsener Hurone von etwa fünfzig Jahren, der einen Mantel wie sie die Indianer selbst anfertigen, in der Hand trug, mit ernster Stimme eine Anrede, zunächst an den Farmer:
    »Ist Nicolas Sagamore jetzt auf der Farm?
    – Ja, der ist hier, antwortete Thomas Harcher.
    – Und ich füge hinzu, daß er hier zur Stelle ist!« rief der Notar höchst verwundert, daß dieser Besuch allem Anscheine nach seiner Person gelten sollte.
    Der Hurone trat zu ihm heran, erhob stolz den Kopf und sagte mit noch feierlicherer Stimme:
    »Der Häuptling unseres Stammes ist von dem großen Wacondah, dem Mitsimanitu unserer Väter, abgerufen worden. Fünf Monate sind bereits vergangen, seit er die seligen Jagdgefilde durchstreift. Sein unmittelbarer Blutserbe ist Nicolas, der Letzte der Sagamores. Ihm kommt es fürder zu, den Friedens-Tomahawk zu begraben oder die Kriegsaxt ausgraben zu lassen!«
    Ein tiefes Stillschweigen der Verwunderung empfing diese so unerwartete Erklärung. Im Lande wußte man es sehr wohl, daß Meister Nick von Huronenursprung war, daß er von den großen Häuptlingen der Mahogannis abstammte; Niemand aber hätte je daran gedacht – er selbst noch weniger als jeder Andere – daß er in Folge einer Erbordnung berufen werden sollte, an die Spitze einer indianischen Völkerschaft zu treten.
    Nach minutenlanger Pause, welche Niemand zu unterbrechen wagte, nahm der Hurone wieder das Wort:
    »Zu welcher Zeit würde mein Bruder nun kommen, sich zum Feuer des großen Rathes

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