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Die Familie: Roman (German Edition)

Die Familie: Roman (German Edition)

Titel: Die Familie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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vor. Bleib hinter mir und halte dich an meinem Gürtel fest.« Kyle ließ Paulas Arm los, und ihre Finger schoben sich unter seinen Gürtel. Er bückte sich, ertastete die Felsen vor sich und begann, die Böschung zu erklimmen. Mit der Schulter stieß er gegen irgendetwas, wahrscheinlich gegen einen der Stalagmiten, die er oft auf dieser Seite des Flusses gesehen hatte. Er ging darum herum.
    Kyle hatte schon tausendmal über den Fluss Styx geblickt und diese Seite auch schon bei mehreren Gelegenheiten erkundet. Er wusste, dass die Gegend mit Tropfsteinen übersät war und wunderbare Verstecke bot, doch er konnte sich nicht an die Details erinnern, und die Dunkelheit nahm ihm die Orientierung.
    Er tastete sich voran wie ein Blinder, der durch ein Labyrinth taumelte.
    Und trat auf etwas Weiches.
    Er bückte sich, strich über die kühle Stoffoberfläche und begriff, worum es sich handelte. »Hier liegt eine Decke«, sagte er.
    »Mein Gott.«
    Auf allen vieren kroch er auf die Decke, die einmal gefaltet war, sodass sie doppelt lag. Sie schien ungefähr einen Meter breit und knapp zwei Meter lang zu sein. Als er am anderen Ende ankam, stieß seine tastende Hand gegen eine glatte, federnde Erhebung, die er zunächst für ein Kissen hielt. Kyle erkundete sie mit den Fingern – und stellte fest, dass es sich um einen Schlafsack in einer Stoffhülle handeln musste. Er hob ihn hoch und hörte das gedämpfte Klirren von Glas. Als er nach unten griff, fand er eine Flasche. Sie war schwer. Flüssigkeit schwappte darin. Er drehte den Verschluss auf und schnüffelte daran. Der beißende Geruch von Alkohol. Obwohl er sich damit nicht gut auskannte, vermutete er, dass in der Flasche Scotch oder Bourbon war.
    »Ganz nett«, flüsterte Paula hinter ihm.
    »Hier ist ein Schlafsack.«
    »Du machst Witze.«
    »Und eine Flasche Schnaps.«
    »Echt?«
    Er drehte sich auf den Knien um und streckte die Flasche in ihre Richtung.
    »Ich kann es riechen«, sagte Paula.
    »Nimm einen Schluck. Davon wird dir warm.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ich verrate es niemandem.«
    »Wo kommt das her?«
    »Es lag hier.«
    »Ist das dein Zeug?«
    »Natürlich nicht.«
    »Du hast uns direkt hierhergeführt.«
    »Und darüber bin ich froh. Aber die Sachen gehören mir nicht. Ich wusste nicht, dass sie hier liegen.«
    »Wenn sie dir nicht gehören, woher kommen sie dann?«
    »Gott, ich weiß es nicht. Jemand muss … Vielleicht ist es ein Liebesnest.« Kyle wandte den Kopf und sah nur Schwärze. Er streckte den Arm aus. Gleich neben der Decke war eine Steinwand, die ihm die Sicht blockierte. Als er sich erhob, sah er die fernen Gestalten vor dem Licht der Feuer in den Aufzügen. »Das ist toll«, sagte er. Er setzte sich wieder. »Ich glaube, ich probiere mal.«
    »Vielleicht solltest du das lieber lassen. Wenn du nicht weißt, wem es gehört …«
    »Es muss von jemandem sein, der hier arbeitet. Vielleicht Tom. Vielleicht geht er manchmal mit einer der Führerinnen hierher.« Darcy?, fragte er sich. War sie mit Tom hier gewesen, versteckt hinter den Felsen, hatte Schnaps getrunken und mit ihm gebumst?
    Er stellte sich vor, wie sie nackt in dem Schlafsack lag, sich wand und stöhnte, aber nicht mit Tom. Es war Kyle, der bei ihr war, ihre Brüste knetete und tief in ihre feuchte Wärme stieß.
    Vielleicht schlichen sie sich nachts hier herunter. Oder sie versteckten sich sogar tagsüber hier, während die Touristen vorbeigeführt wurden.
    Aber nicht Darcy.
    Wahrscheinlich Lynn. Lynn und Tom.
    Lynn war so eine Schlampe, der würde er alles zutrauen.
    »Ist das nicht unhygienisch?«, fragte Paula.
    »Nein.« Er hob die Flasche an die Lippen und kippte sie. Es dauerte einen Augenblick, bis die Flüssigkeit seinen Mund erreichte, woraus er schloss, dass die Flasche zu drei Vierteln gefüllt war. Er nippte daran. Ja, irgendein Whisky. Er schluckte, und Wärme breitete sich in ihm aus. Mit einem leichten Schaudern sagte er: »Gut. Probier mal.«
    Er hielt ihr die Flasche entgegen und spürte, wie sie ihm aus der Hand genommen wurde. Es erklang ein leises gluckerndes Geräusch, dann ein »Wow«.
    »Schmeckt’s dir?«
    »Ist okay.«
    »Sollen wir uns in den Schlafsack legen?«
    Sie schwieg ein paar Sekunden. »Ich weiß nicht. Lieber nicht.«
    »Ich packe ihn trotzdem aus. Wir können uns draufsetzen.«
    »Gut.«
    Er öffnete die Verschlussschnur, zog den Schlafsack heraus und breitete ihn auf der Decke aus.
    Sie setzten sich darauf, Seite an Seite in der Dunkelheit.

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