Die Familie Willy Brandt (German Edition)
denke wirklich angestrengt nach und wäge gegeneinander ab, das ist jetzt keine Anstellerei. Man kann ja sehr viel Zeit mit dem Zusammenstellen von Listen verbringen. Eine Fünfer-Liste ist ja auch noch mal schwieriger als eine Zehner-Liste ...... also diese drei schon mal vorbehaltlos Netzer, Beckenbauer, Müller … deutsche Nationalspieler? Wir reden jetzt nicht von internationalen Kräften? .....
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Rudi Völler .........
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und als Fünfter .......
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Katsche Schwarzenbeck … Drei Bayern unter den ersten fünf … Ich lass das jetzt einfach mal so stehen …«
Rocco und seine Brüder
Rocco steht Kopf. Aus dieser Perspektive hat niemand anders die Familie Brandt gesehen. Rocco, der Graupapagei, hing kopfüber in seinem Käfig und betrachtete durch Gitterstäbe hindurch, wer da zu ihm hereinsah: Die Brandts. Die Brandts hatten Haustiere, bevor sie Kinder hatten. Willy Brandt liefert am 8. April 1948 seiner Frau Rut, die in Norwegen weilt, dieses Bulletin animalischen Befindens: »Blackie ist ziemlich traurig, daß sie nicht mehr rauskommt, wann sie will. Da das mit Deiner Abreise zusammengefallen ist, meint sie wohl, daß alleine ich für die Langeweile verantwortlich bin. Außerdem kommt sie jeden Morgen ins Schlafzimmer und nimmt ihren Platz auf Deinem Kopfkissen ein. Gestern ist die Tochter von Frau Petzold mit ihr spazieren gegangen. Sie hatten bestimmt viel Spaß zusammen. Jedenfalls hing Blackie die Zunge aus dem Hals, als sie nach Hause kam.«
Die schwarze Pudeldame taucht in jenen Jahren oft in der Korrespondenz zwischen den Eheleuten auf. Was tun Haustiere? Wozu sind sie gut? Sie halten Haus und Hof zusammen. Sie überbringen Botschaften, sie weben auf ihren Wegen zwischen den Menschen ein Netz von Sozialität. Sie sind Unterhändler zwischen den Parteien, sie stopfen, mit Fell oder Gefieder, Löcher, und sie knüpfen Bande zwischen Drinnen und Draußen.
Rocco, ein bilingualer Papagei – er parlierte ebenso gut Deutsch wie Norwegisch –, besaß ein verblüffendes Sprachtalent. Mal dachte der Hund, sein Herrchen habe gerufen, mal dachten Gäste, Willy Brandt sei unter die Bauchredner gegangen, mal dachten die Söhne, die Mutter hätte nach ihnen verlangt, und manchmal dachte das Hausmädchen, Matthias sei in Not.
Stand Willy Brandt ihm am nächsten? Der Bundeskanzler fütterte ihn bisweilen mit Erdnüssen. Rocco fraß dem Mann aus der Hand. Der hatte eine tiefe, heisere Stimme. Morgens wie abends saß der Erdnussmann im Sessel, sog an glühenden Stäbchen, deren Rauch Rocco einhüllte. Grau in Grau. Manchmal trat der Mann vor den Käfig und krächzte ein Lied: »Wacht auf, Verdammte dieser Erde, die stets man noch zum Hungern zwingt! Völker, hört die Signale! Auf zum letzten Gefecht! Die Internationale erkämpft das Menschenrecht.« Rocco pfiff es nach und erhielt eine Nuss zur Belohnung. Dann wandte sich der Mann ab, ließ wieder bittere Wolken aufsteigen und verschwand. Ihn bekam Rocco seltener zu Gesicht als die anderen. Dennoch schien der Mann an ihm zu hängen. Eines Tages durfte der Vogel hinaus. Auf den Balkon. Es war warm. Das Tier, das nie zuvor geflogen war, erinnerte sich daran, dass es Flügel hatte. Die Tür des Käfigs stand offen. Rocco startete, hob ab, kreiste über dem Garten, verschwand. Wohin? Vielleicht traf er sich mit Artgenossen? Der Regierungssprecher Conrad Ahlers besaß eine Gelbstirnamazone, und auch Brandts Wissenschaftsminister Klaus von Dohnanyi hielt sich einen gefiederten Freund. Wer soufflierte wem?
Rut Brandt hegte stets eine tiefe Liebe zu Tieren. Hier mit Pudeldame Blackie Mitte der fünfziger Jahre im Marinesteig.
[Peter Brandt/Irm Kühn]
Nach einigen Tagen kehrte Rocco zurück zum Erdnussmann. Rocco landete im Garten von Heinrich Lübke; dass der alte Mann einmal der Bundespräsident gewesen war, spielte für Rocco gar keine Rolle. Stattdessen stieg der Bundeskanzler auf eine Leiter, bot ihm den Arm an und schmeichelte: »Komm, Rocco, Rocco, komm!« Er ließ sich bitten, hüpfte zurück hinter Gitter.
Vertrauter jedoch war dem Papageien die Frau des Hauses, er sah sie öfter, sie geizte nicht so sehr mit ihrer Stimme. Sie konnte er so verblüffend nachahmen, dass Matthias sich angesprochen fühlte, wenn der Vogel mit Ruts Stimme nach ihm rief. Sah die Frau ihn nicht auch anders an, leichter, luftiger, mehr so im Vorübergehen? Ihr Blick
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