Die Familie Willy Brandt (German Edition)
eines Besseren belehrt werde, glaube ich, daß dieser Bericht für Sie positiv wirkt; wenn auch der Text einen Kompromiß mit meiner Redaktion darstellt und ich auf die Auswahl der Bilder keinen Einfluß ausgeübt habe. Meine Meinung wurde bisher von allen Kollegen unterstützt, mit denen ich über diese Geschichte gesprochen habe; und auch Frauen bestätigen mir, daß der Bericht Sie ihnen menschlich sympathisch macht. Ich hatte mir Gedanken gemacht, wie man Willy Brandt, der ja bisher nicht von der Mehrheit der Frauen gewählt wurde, den Frauen, den Wählerinnen, näher bringen kann. Deshalb hatte ich von Anfang an nicht vor, Willy Brandt im Gespräch mit anderen Staatsmännern zu zeigen, sondern seine menschlichen Seiten.« Damit war die Affäre aber noch nicht ausgestanden. Nachdem der Brief im Außenministerium eingegangen und gelesen war, wurde die Journalistin ins Ministerium zitiert, wo sie nun ihren »Canossagang« antrat. Doch, so erzählt Heli Ihlefeld, es sei weniger Brandt, sondern vielmehr seine Umgebung gewesen, die sich über den Stil des Berichts echauffiert habe. Er selbst sei sehr gelassen und entspannt mit der Reportage umgegangen und habe ihr erklärt, warum andere das anders einschätzen. Vielleicht hat Brandt gerade der selbstbewusste, wenig reumütige Ton der Journalistin gefallen? Die Beziehung kühlt sich nach dieser Irritation jedenfalls nicht ab, sondern intensiviert sich. Ihlefeld ist zwar kein SPD-Mitglied, aber sie lässt sich von Günter Grass für dessen Wählerinitiative im Bundestagswahlkampf 1969 gewinnen. Sie fährt abends mit ihrem altersschwachen Mercedes Diesel in entlegene Ortschaften, um als Wahlrednerin für Brandt aufzutreten. Ihrem jeweiligen Publikum versucht sie zu vermitteln, dass es mit Brandt als Kanzler eine zukunftsorientierte Frauenpolitik gäbe, die das »Babyjahr, Gleichstellung der Frauen am Arbeitsplatz und Hausfrauenrente« zum Ziel hätte.
Über den Beginn ihrer Liebesbeziehung zu Willy Brandt schreibt sie in ihrer Autobiographie: »Wann es geschehen ist, weiß ich nicht mehr. Es war während des Wahlkampfes 1969. Es geschah so selbstverständlich, als müsste es so sein, ohne Anspruch auf eine Zukunft und irgendeine Erwartung auf Erfüllung – bedingungslos. Nie hätte ich die mir anvertraute Familie im Stich lassen können. Da es so war, spürte ich auch keine Reue, kein schlechtes Gewissen. Es gab zwischen uns eine große, gegenseitige Sympathie, die einfach akzeptiert wurde. Ich will unsere Beziehung damit nicht idealisieren. Für mich war er ein großer Mensch – aber ein Mensch –, eine große Persönlichkeit.«
Es hat während meiner Recherchen keiner großen Anstrengungen bedurft, um in den Gesprächen und Interviews dem Thema »Willy Brandt und die Frauen« zu begegnen. Dabei waren es vor allem die Männer, alte Männer zumeist, Weggefährten, die das Thema anschnitten, mitunter auch ungefragt, deftig gewürzt mit handfesten Witzen oder schlüpfrigen Anekdoten, mit denen sie aber keinesfalls zitiert werden wollten. Ja, Brandt hatte wohl zeit seines Lebens einige Affären, aber ein Schürzenjäger war er wohl nicht, kein viriler Beutemacher, kein dreist-derber Draufgänger.
Einige Wochen vor ihrem Tod hatte ich Gelegenheit, mit der Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich zu telefonieren. Obgleich sie mich nicht kannte, war sie freundlich, und so überfiel ich sie mit der Frage, ob wir uns zu einem Interview zum Thema Brandt treffen könnten. Sie saß gerade mit einer Freundin zusammen, trank Sekt und war offenkundig in aufgeräumter Stimmung. Willy Brandt interessierte sie sehr, als Thema, als Phänomen, als Mensch. Sie war ihm einige Male privat und auch bei gesellschaftlichen Anlässen begegnet. Auf meine Frage, ob Brandt, was einige Beobachter meinen, leicht autistische Züge gezeigt hätte, sagte sie entschieden: »Nein! Autistisch? Das glaube ich nicht. Er konnte sich plötzlich abwenden, aussteigen aus einer sozialen Beziehung, und er zeigte sicherlich auch depressive Züge, aber ein autistischer Mensch war er bestimmt nicht. Wenn Sie mich interviewen wollen, müssen Sie auch meine Freundin Gisela Stelly-Augstein interviewen, die ist ihm häufiger begegnet als ich. Aber wir können uns gerne treffen, wenn ich Ihnen auch fast schon alles gesagt habe, was ich sagen kann.« Und bevor wir uns verabschiedeten, sagte sie noch, angesprochen auf Brandts Verhältnis zu Frauen: »Er war kein Verführer, er brauchte aktive Frauen, die ihn
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