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Die Farbe der Gier

Die Farbe der Gier

Titel: Die Farbe der Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe der Gier
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um 14 Uhr in den Laden zurück, aber vom Geschäftsinhaber war weit und breit nichts zu sehen. »Er kommt jeden Moment zurück«, versicherte ihr die Verkäuferin ohne rechte Überzeugung.
    ›Jeden Moment‹ erwies sich als eine halbe Stunde.
    Mittlerweile war die Verkäuferin nirgends mehr zu sehen. Als der Geschäftsinhaber endlich auftauchte, sah die Krantz zu ihrer Freude, dass er eine voll gestopfte Plastiktüte mitbrachte. Ohne dass ein Wort fiel, folgte ihm die Krantz in den hinteren Teil des Ladens und in sein Büro. Erst, als er die Tür geschlossen hatte, tauchte ein breites Grinsen auf den fleischigen Lippen des Geschäftsinhabers auf.
    Er legte die Tüte auf seinen Schreibtisch, hielt einen Moment inne und zog dann die rote Uniform heraus, die die Krantz verlangt hatte.
    »Sie ist vielleicht etwas zu groß für Sie«, sagte er halb entschuldigend, »aber ich liefere Nadel und Faden ohne Extrakosten dazu.«
    Er fing an zu lachen, hörte aber auf, als seine Kundin nicht mit einfiel.
    Die Krantz hielt die Uniform vor ihre Schultern. Die frühere Besitzerin war mindestens fünf Zentimeter größer als die Krantz, aber nur wenige Pfund schwerer; nichts, was Nadel und Faden nicht beheben konnten, wie es der Geschäftsinhaber vorgeschlagen hatte.
    »Und der Pass?«, fragte die Krantz.
    Wieder tauchte die Hand des Geschäftsinhabers in die Plastiktüte und wie ein Zauberkünstler, der ein Kaninchen aus einem Zylinder zieht, hielt er einen sowjetischen Pass hoch. Er 403
    überreichte der Krantz die Trophäe und sagte: »Sie genießt derzeit einen dreitägigen Zwischenstopp und wird vor Freitag wahrscheinlich gar nicht merken, dass er fehlt.«
    »Bis dahin wird er seinen Zweck schon lange erfüllt haben.«
    Die Krantz blätterte die Seiten der offiziellen
    Identitätsbescheinigung durch.
    Sascha Prestakawitsch, entdeckte sie, war ohne besondere Kennzeichen, drei Jahre jünger als sie und acht Zentimeter größer. Ein Problem, das ein paar hochhackige Schuhe lösen würden, außer ein übereifriger Beamter beschloss sie abzutasten und entdeckte dabei auch noch die frische Wunde an ihrer rechten Schulter.
    Als die Krantz zu der Seite kam, auf der sich einst Sascha Prestakawitschs Foto befunden hatte, konnte der Inhaber ein zufriedenes Grinsen nicht unterdrücken. Für seinen nächsten Trick nahm er eine Polaroidkamera von einer Arbeitsfläche.
    »Lächeln«, sagte er. Sie tat es nicht.
    Ein paar Sekunden später wurde ein Foto ausgespuckt. Eine Schere tauchte als Nächstes auf und der Geschäftsinhaber schnitt das Foto auf eine Größe zurecht, die zu dem kleinen, gepunkteten Rechteck auf Seite 3 des Ausweises passte. Dann ein Tropfen Kleber, um die neue Inhaberin des Passes an Ort und Stelle zu befestigen. Sein letzer Akt bestand darin, Nadel und Faden in die Tüte zu legen. Olga Krantz wurde allmählich klar, dass er diese Dienstleistung offenbar nicht zum ersten Mal anbot. Sie stopfte die Uniform und den Pass wieder in die Tüte, dann reichte sie ihm 800 Dollar.
    Der Geschäftsinhaber zählte die Scheine sorgfältig ab.
    »Sie sagten 1000«, protestierte er.
    »Sie waren 30 Minuten zu spät«, rief ihm die Krantz in Erinnerung, nahm die Tüte und wandte sich zum Gehen.
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    »Besuchen Sie uns einmal wieder«, schlug der Geschäftsinhaber vor, während sie sein Büro verließ. »Wann immer Sie in Moskau sind.«
    Die Krantz machte sich nicht die Mühe, ihm zu erklären, warum sie in ihrem Beruf niemand zwei Mal sah, außer um sicherzustellen, dass es kein drittes Mal geben würde.
    Sobald sie wieder auf der Straße war, musste sie nur wenige Häuserblocks gehen, bevor sie einen Laden erreichte, in dem sie einfache, schwarze Schuhe mit hohen Absätzen kaufte – nicht ihr Stil, aber sie würden ihren Zweck erfüllen. Sie zahlte mit Rubeln und verließ den Laden mit zwei Tüten.
    Als Nächstes winkte sich die Krantz ein Taxi, nannte dem Fahrer eine Adresse und erklärte ihm genau, an welchem Eingang sie abgesetzt zu werden wünschte. Als das Taxi an einer Seitentür mit der Aufschrift »Nur für Personal« hielt, zahlte Olga Krantz das Fahrgeld, betrat das Gebäude und ging direkt zur Damentoilette. Sie schloss sich in einen Kubus ein, in dem sie die nächsten 40 Minuten verbrachte. Mit Hilfe von Nadel und Faden, die ihr der Geschäftsinhaber zur Verfügung gestellt hatte, kürzte sie den Saum des Rockes um einige Zentimeter und machte anschließend die Taille etwas enger, was man unter dem Jackett nicht sehen

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