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Die Farbe Der Leere

Die Farbe Der Leere

Titel: Die Farbe Der Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Webb
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sie.«
    Katherine konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was für eine Reaktion er von ihr erwartete.
    »Merken Sie, was ich sagen will? Selbst die Gorillababys haben es besser als meine Jungs.«
    Sie verharrten erneut in Schweigen. Sie war schon länger hier, als sie geplant hatte. Und sie hatte noch nicht mal erklärt, warum sie gekommen war.
    »Mr. Jackson …«
    »George.«
    »Nennen Sie mich Katherine. Ich habe ein paar Fragen an Sie.«
    »Ich hab schon mit den Ermittlern geredet. Und ich hab auch mit allen da unten im Hauptbüro gesprochen. Gütiger Himmel, ich musste mit einer Unmenge Leute reden. Und trotz all dem Gequatsche hab ich nicht den leisesten Schimmer, was man Hilfreiches tun könnte. Ich wünschte, ich könnte was tun. Ich wünschte, es gäbe irgendwas, das ich noch für Jonnie tun kann.«
    Sie war überrascht. »Jonnie? Haben Sie ihn so genannt?«
    »Sicher.« Er runzelte die Stirn, als fragte er sich, worauf sie hinauswollte.
    »Er hat mir gesagt, dass er es hasst, so genannt zu werden.«
    Sie starrten sich eine Weile an, und jeder fragte sich stumm, wer von ihnen Jonathan nun besser gekannt hatte.
    George sah zuerst weg. »Also, was wollen Sie wissen?«
    Was will ich wissen? Ich will so vieles wissen, was du mir nicht sagen kannst. Gab es etwas, was sie hätte anders machen können, um Jonathan zu schützen? Wäre Jonathan heute noch am Leben, wenn sie ihr Versprechen nicht gebrochen hätte?
    »Es ging ihm so weit ganz gut hier. Ich meine, ich will Ihnen nichts vormachen. Jeder Junge, der hier lebt, ist ein Junge in einem Jugendheim. Er hat sich besser gehalten als die meisten, würde ich sagen.
    Es tat mir leid, dass er von dieser Schule abgegangen ist. Ihnen auch, das weiß ich. Ich hab mir dabei aber von Anfang an Sorgen gemacht. So was ist schwer, wissen Sie, so ein weiter Schulweg, und dann mit all diesen Kindern da, die alles haben, was man nie hatte, und deren Eltern wahrscheinlich denken, dass Armut – und vielleicht sogar seine Hautfarbe – wie eine ansteckende Krankheit ist.
    Vielleicht hätte ich besser auf ihn achtgeben müssen.« Er schüttelte den Kopf. »Aber ich hab hier Kids, die auf der Flucht sind, Kids, die die Polizei beim Drogendealen erwischt, Kids mit Selbstmordabsichten. Irgendwie gab es nie eine Minute, in der nicht irgendwer meine Aufmerksamkeit gerade dringender brauchte als Jonnie. Wissen Sie, bis er die Schule hinschmiss, dachten wir alle, er gehört zu den wenigen, die es schaffen können.«
    »Wirkte er irgendwie glücklicher?«, fragte Katherine. »Ich meine, nachdem er die Schule verlassen hatte?«
    »Keine Ahnung, wie irgendwer von irgendwem wirklich wissen kann, ob er glücklich ist.« Er seufzte. »Er passte nicht rein, das ist der Punkt. Wenn man in einem Gruppenheim wohnt und nicht reinpasst, ist man geliefert, man wird glatt durch den Fleischwolf gedreht.« Er zuckte unvermittelt zusammen, und sie merkte, dass ihm die hässliche Ironie seiner letzten Worte nicht bewusst gewesen war.
    »Ich glaube, er hoffte, es würde ihm besser gehen, wenn er die Schule hinschmeißt. Ich glaub nicht, dass es geholfen hat. Es waren nicht nur die Kids, die ihn abgelehnt haben. Die Sozialarbeiter empfanden es ähnlich.«
    Er machte eine Pause.
    »Vielleicht auch ich. Wir schuften hier wie die Tiere für unseren lausigen Lohn, und es gibt ja nicht mal ein strahlendes Licht am Ende des Tunnels, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und dann kommt Jonnie und segelt glatt an uns vorbei, ohne dass es ihn einen Schweißtropfen kostet.
    Obwohl es mehr als das war, warum er hier nicht reinpasste. Er wäre nie so ganz ›institutionalisierbar‹ geworden. Keiner wusste so recht, wohin mit ihm. Keiner wusste, was von ihm zu halten war.«
    »Ich weiß nicht, ob ich das ganz verstehe«, sagte sie.
    »Passen Sie auf. Es gibt zwei Wege. Manche Kids lernen, wie man mit dem System arbeiten kann. Sie werden kaltblütige Manipulierer. Ich kann ihnen dafür keinen Vorwurf machen. Sie haben gelernt, wie man durchkommt. Niemand hat sich je um sie geschert, und sie wissen das, und sie scheren sich auch um niemanden.
    Andere können das so nicht. Sie sind so wütend, dass ihnen alles egal ist, oder nicht klug genug, um so zu tun, als würden sie mitspielen. Wissen Sie was? Ich sollte das nicht sagen, aber die sind mir am liebsten. Die, die dem System gegenüber keinen Zentimeter nachgeben. Sie bedeuten unendlichen Ärger, und nichts Gutes ist je von ihnen zu erwarten. Ein großer Teil

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